Ein umstrittenes Investmentvehikel ist gewissermaßen in Pension gegangen. Seit Ende September beteiligt sich die Initiative Stolz auf Wien (SAW) an keinen neuen Projekten mehr. Sie wurde im Jahr 2020 von der Stadt Wien gegründet, als das Land wegen der Corona-Pandemie stillstand – und viele Betriebe urplötzlich ihren Fortbestand gefährdet sahen.

Seither übernahm die Gemeinde Wien unter dem Label SAW Anteile an strauchelnden Betrieben und hat dafür teilweise Steuergeld eingesetzt. SAW ist als Beteiligungs-GmbH organisiert, die zu 80 Prozent der Wien Holding und zu 20 Prozent der Wirtschaftskammer Wien gehört. Insgesamt flossen laut dem Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) bis dato 23,6 Millionen Euro in strauchelnde Wiener Unternehmen. Rund 40 Millionen wären theoretisch zur Verfügung gestanden. Mit Ende September können zwar keine neuen Fälle mehr unter den Schutzschirm schlüpfen, wohl laufen aber die bisherigen Investments noch bis zum Jahr 2028 weiter.

Vieles blieb unbeantwortet

Doch es gibt jede Menge offene Fragen. DER STANDARD berichtete im vergangenen Frühjahr umfassend darüber. Die Kurzfassung: Unter welchen Kriterien sich genau die Stadt mit Steuergeld an Unternehmen beteiligt, bleibt schwammig. Unklar ist überdies, ob eine besonders relevante Voraussetzung stets eingehalten wurde – nämlich jene, dass Unternehmen erst durch die Pandemie in Probleme geschlittert sind, nicht etwa bereits zuvor in solchen steckten. Auch inwieweit die Stadt prüft, ob die Unternehmen langfristig eine wirtschaftliche Zukunft haben, bleibt offen. Dazu herrscht Intransparenz hinsichtlich der Frage, wie viel Geld die einzelnen Unternehmen bekommen. DER STANDARD hat SAW-Geschäftsführerin Barbara Forsthuber umfassend mit den Vorwürfen konfrontiert.

Kritikpunkt 1: Man weiß nicht, wie viel Steuergeld einzelnen Unternehmen zugutekommt.

Barbara Forsthuber: "Wir haben uns dazu verpflichtet, diese Informationen nicht zu veröffentlichen, da das viele Unternehmen nicht wollen. Außerdem wollen wir nicht, dass für Unternehmen, die aufgrund weiterhin wirtschaftlich schwieriger Zeiten in ein Sanierungsverfahren gehen müssen, schlechte Reputation entsteht."

Eines der Kriterien bei
Eines der Kriterien bei "Stolz auf Wien" ist, "Wiener Identität" zu repräsentieren. Für das Altwiener Kaffeehaus gilt das zwar, nicht aber etwa für Unternehmen aus der Branche Media-Tests oder Mineralölhandel.
Regine Hendrich, DER STANDARD

Kritikpunkt 2: Mehr als ein Fünftel der vom STANDARD analysierten Unternehmen wird von politisch exponierten Personen geführt, etwa Wirtschaftskammerfunktionären, ORF-Presseräten oder Fußballklub-Eigentümern.

Barbara Forsthuber: "Vor jeder Beteiligung werden die Unternehmen einer genauen Prüfung unterzogen. Dabei gibt es bei der Due Diligence auch immer eine PEP-Abfrage, die von unseren Anwälten durchgeführt wird (Anmerkung: "PEP" steht für politisch exponierte Personen; der Begriff stammt aus der Geldwäschebekämpfung). Diese Abfragen haben für den jeweiligen Zeitpunkt, zu dem die Beteiligungen eingegangen wurden, keine PEP-Eigenschaft ergeben. Entscheidend ist, dass es keinerlei Verwobenheit mit der Stadt Wien, der Wirtschaftskammer oder mit irgendeinem Funktionär gibt."

Kritikpunkt 3: Als eines der Kriterien für die Unterstützung durch SAW gilt, dass Unternehmen zumindest zehn Mitarbeiter haben sollten – immerhin dient die Initiative auch der Erhaltung von Arbeitsplätzen. Nun gibt es in der Liste der unterstützten Betriebe laut STANDARD-Informationen sogar ein Unternehmen, das gar keine Mitarbeiter hat, namens Media Test Research GmbH. Dieses Unternehmen hat zwar drei Geschäftsführer, die auch Eigentümer sind, aber keine Mitarbeiter.

Barbara Forsthuber: "Es ist korrekt, dass die Media Test Research GmbH zum Zeitpunkt der Beteiligung keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt hat. Im Businessplan war die Schaffung von neuen Stellen vorgesehen. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation wird aktuell die Hauptlast des Tagesgeschäfts aber noch von den Gesellschaftern selbst getragen. Media Test Research geht davon aus, dass in den nächsten zwölf Monaten zumindest zwei bis drei Stellen geschaffen werden."

Kritikpunkt 4: Neben der Anzahl der Mitarbeiter gilt als weiteres Kriterium für eine SAW-Beteiligung, dass sie ein Stück weit die Wiener Identität verkörpern sollen. Was haben Mineralölhandel, Media-Tests, Gastro, Schmuck – allesamt Bereiche, in denen sich SAW beteiligt hat – mit Wiener Identität zu tun?

Barbara Forsthuber: "Wir haben einen bunten Mix an Unternehmen, etwa Frey Wille, die sicher diese Identität widerspiegeln. Es ist jedoch richtig, dass es bei späteren Beteiligungen nicht immer der Fall ist. Das liegt daran, dass sich das Beteiligungsprojekt stetig weiterentwickelt hat. Uns war es wichtiger, Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten, als darüber zu streiten, ob ein Unternehmen genug Wiener Identität aufweist. Zudem war es auch nicht notwendig, dass jedes Unternehmen jedes einzelne Kriterium erfüllt. Die wesentlichen Kriterien einer wirtschaftlichen Corona-Betroffenheit und eine positive Zukunftsaussicht wurden erfüllt, und das war entscheidend."

Kritikpunkt 5: Bei manchen Investments stellt sich die Frage, ob man sie guten Gewissens tätigen sollte. Da wäre zum Beispiel die Restaurantkette Habibi und Hawara. Hier zeigt ein Blick in die Bilanzen klar, dass das Unternehmen überschuldet war und die Verbindlichkeiten angesichts der Bilanzsumme nicht mehr zurückzahlen konnten. Trotzdem wurde investiert.

Barbara Forsthuber: "In diesem Fall war SAW nicht an den einzelnen Restaurants, sondern an der darüberliegenden Holding beteiligt. Aus Sicht des letzten Jahres ist alles korrekt, was uns seitens dieses Unternehmens vorgelegt wurde. Zudem wurde eine Vollständigkeitserklärung unterzeichnet. Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahlen stimmen, die wir bekommen – und bei der Holding war das jedenfalls der Fall. Ob da die einzelnen Tochterunternehmen schon sanierungsbedürftig waren, können wir also nicht sagen. An denen ist die Stolz auf Wien GmbH auch nicht beteiligt gewesen. Wir haben aber umgehend einen externen Prüfer beauftragt, der den Fall forensisch prüft. Die Frage, ob man guten Gewissens eine Beteiligung eingehen sollte, stellen wir uns tatsächlich bei jedem Antragsteller – schließlich sind die Corona-Betroffenheit und ein Liquiditätsengpass eine Voraussetzung für die Beteiligung der Stolz auf Wien. Im zitierten Fall von Habibi wurde vom Management eine positive Fortbestandsprognose sowie ein glaubwürdiger Turnaround-Plan vorgelegt, der im Zuge unserer Prüfungen vom Wirtschaftsprüfer und unseren Gremien als machbar eingeschätzt wurde. Wir haben eine Prüfung der Gebarung der letzten Monate von der Insolvenz beauftragt, die aber keine Unregelmäßigkeiten ergeben hat." (Lisa Duschek, Joseph Gepp, 11.10.2023)