Flammen auf einem Gasherd
Private Haushalte sind für etwas ein Drittel des Verbrauchs von Erdgas in Österreich verantwortlich. Nicht nur beim Kochen, auch beim Heizen wird noch häufig auf den fossilen Brennstoff gesetzt.
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Österreich ist wie kaum ein anderes Land in Westeuropa nach wie vor stark abhängig von fossilem Gas, insbesondere aus Russland. Daraus gelte es so rasch als möglich auszubrechen, stellt einmal mehr die Umweltorganisation Greenpeace klar. Zumal mit fortgesetztem Einsatz des Brennstoffs Erdgas nicht nur die Erderwärmung vorangetrieben, sondern auch der Krieg in der Ukraine mitfinanziert werde. Eben dadurch, dass in den Kassen des Kreml Monat für Monat Geld aus dem Gasverkauf nach Österreich und andere Länder lande.

Ein Komplettausstieg aus klimaschädigendem Gas sei möglich, sogar bis 2035 und nicht erst irgendwann Mitte des Jahrhunderts, sagte Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace Österreich, am Dienstag bei der Vorstellung des Wegweisers "Raus aus Gas". Dazu sei die Politik gefordert.

Mehr Ehrgeiz in der Umsetzung

Wie "Raus aus Gas" gehen könnte, hat Umweltökonom Thomas Steffl für Greenpeace anhand verschiedener Szenarien vorgezeichnet. Das mit den "geringsten Anstrengungen" schreibt das aktuelle, niedrige Ambitionsniveau fort. Das Szenario "intensivierte Anstrengungen" beschreibt deutlich umfangreichere Maßnahmen. Das Szenario "notwendige Anstrengungen" schließlich, auf das Österreich einbiegen sollte, führt laut Steffl mit unterschiedlichen Anforderungen an einzelne Branchen zum Ausstieg aus fossilem Gas im Jahr 2035, wodurch die Pariser Klimaschutzziele erreicht werden könnten.

Gasverbrauch in Österreich nach Sektoren und Ausstiegsszenario
Gasverbrauch in Österreich nach Sektoren und Ausstiegsszenario für verschiedene Branchen
Redaktion

Die größten Hebel, mit denen der Abschied von fossilem Gas bewerkstelligt werden könnte, seien längst bekannt und müssten nur angewandt werden, meinte Steffl. Bei der Raumwärme heiße das Verzicht auf den Einbau von Gasthermen. Diese könnten, wie das Erneuerbare-Wärme-Gesetz es vorsieht, durch Wärmepumpen, saubere Fernwärme oder andere nicht fossile Heizformen ersetzt werden. Wermutstropfen: Dieses Gesetz lässt weiter auf sich warten, weil die ÖVP die zuvor mit dem grünen Koalitionspartner vereinbarte Vorlage aufschnüren und neu verhandeln will.

In der Industrie gelte es, die Energieeffizienz zu forcieren, Gebäude zu dämmen und mehr Elektroöfen einzusetzen, obgleich der Stromverbrauch dadurch steigen würde – von derzeit etwa 70 Terawattstunden (TWh) auf rund 120 TWh 2035. Das inkludiere bereits eine klimafreundliche Voest. Steffl: "Das heißt, es hat sich dann schon sehr viel bewegt."

Mehr Flexibilität im Stromsystem

Die erforderlichen 120 TWh seien auch darstellbar; beim Stromnetz bedürfe es allerdings einer Kraftanstrengung in dem Sinn, dass viel mehr Flexibilität in das System gebracht werden müsse. Speicher seien eine Form der Flexibilisierung, aber eine sehr teure. Die günstigste Variante sei, im Bedarfsfall auch erneuerbare Energien abzuregeln, was derzeit aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Regelung nicht möglich ist. Das würde heißen, dass in begrenzten Zeiten, wenn die Netze aufgrund der Menge an Strom, die zu transportieren ist, fast glühen, kein zusätzlicher Strom aus Wind- oder Solaranlagen eingespeist werden darf. In Summe sei das nicht mehr als ein Prozent des Jahresertrags – verkraftbar. Dafür wäre das Netz selbst aber deutlich entlastet, meint Steffl.

Eine weitere Möglichkeit der Flexibilität sei Demand-Side-Management, Laststeuerung. Das heißt, dass Elektrogeräte von Verbrauchern und Verbraucherinnen vertraglich vereinbart zu Zeitpunkten in Betrieb genommen werden, zu denen genügend Strom da ist.

Länder in die Pflicht nehmen

Wie eine Studie aus Deutschland gezeigt habe, seien zusätzliche Speicher erst notwendig, wenn der Anteil erneuerbarer, volatiler Energien am Strommix bei 90 Prozent liege. In Österreich sei die Speichersituation heute schon viel besser als in Deutschland, weil es, bezogen auf den Verbrauch, viel mehr anteiliges Speichervolumen gebe.

Insgesamt führe kein Weg daran vorbei, dass mit Energie sparsamer als bisher umgegangen werden müsse, sagte Greenpeace-Energieexpertin Duregger. Das Energieeffizienzgesetz, das die Länder aus der Pflicht lasse, müsse dringend nachgeschärft, die Quote bei der Gebäudesanierung nach oben geschraubt werden. Dass es das Gasnetz in der heutigen Größe noch brauche, wie die Gaswirtschaft unter Hinweis auf eine mögliche Wasserstoffnutzung meine, bezweifeln Duregger wie Steffl. Sie fordern einen Rückbau der Gasinfrastruktur. (Günther Strobl, 4.10.2023)