Verhandler des Finanzausgleichs, freudig vereint: Haben die "Landesfürsten" die Bundesregierung wieder einmal ausgepresst?
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Womöglich lag es daran, dass die Regierung nach des Kanzlers Burger-Affäre und den potenziell koalitionssprengenden U-Ausschuss-Plänen der ÖVP schleunigst Handlungsfähigkeit demonstrieren wollte: Rascher als von manchen Verhandlern erwartet, haben die Vertreter der türkis-grünen Koalition und der Bundesländer bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich am Dienstagabend eine Grundsatzeinigung zustande gebracht.

Von einem "großen Schritt" sprach Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner – aus seiner Sicht verständlich. Denn der neue Deal zur Verteilung der staatlichen Steuereinnahmen für die nächsten fünf Jahre verspricht den Ländern und Gemeinden einen Patzen an "frischem" Geld. 2,4 Milliarden Euro zusätzlich will der Bund pro Jahr gewähren.

Haben die "Landesfürsten" die Bundesregierung also wieder einmal ausgepresst? Diese Lieblingsgeschichte aller Föderalismuskritiker, die bei anderen Anlässen ihre Berechtigung hatte, wird der Sachlage diesmal nicht gerecht. Länder und Gemeinden haben mit guten Argumenten nach mehr Geld gerufen: Sie sind für Aufgaben zuständig, deren Kosten besonders stark steigen – von der Pflege über die Spitäler bis zur Kinderbetreuung.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat den Forderungen auch nicht bedingungslos nachgegeben. Den Ruf nach einer Veränderung des Verteilungsschlüssels, womit die Mittel ohne Vorbehalt gesprudelt wären, schmetterte er ab. Stattdessen soll knapp die Hälfte des Geldes über einen "Zukunftsfonds" an konkrete Zielvorgaben gebunden sein. Zumindest einmal auf dem Papier.

Video: Bund und Länder haben am Dienstag bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich eine Grundsatzeinigung getroffen.
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Ob die Ziele verbindlich und etwaige Sanktionen streng genug sind, ließ sich aus der verkündeten Einigung allerdings noch nicht schließen. In den Sternen steht überdies, ob die Akteure im Zuge des Finanzausgleichs ernsthafte Reformen zusammenbringen. Gerade Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch hat hehre Ziele propagiert, weil sonst das Gesundheitssystem gegen die Wand fahre, doch bisher deutet kaum etwas auf den großen Wurf hin. Dass die Finanzierungszusage erfolgt ist, macht die Sache nicht einfacher: Nun lässt sich schwerer Druck erzeugen, um Reformen zu erzwingen.

Mit der Grundsatzeinigung allein ist deshalb weniger erreicht, als es die frohlockende Polit-Elite glauben machen will. Es entbehrt nicht einer gewissen Absurdität, wenn ein Sozialminister monatelange Verhandlungen braucht, um dann mit Freude in den Augen verkünden zu dürfen: Wir können die Pflege weiter finanzieren. Offenbar müssen die Bürgerinnen und Bürger in einem der wohlhabendsten Staaten der Erde bangen, dass essenzielle Leistungen zusammenbrechen.

Zum Gutteil bedeutet der Pakt vom Dienstagabend erst einmal nur, dass der Betrieb der Republik recht und schlecht weiterlaufen kann. Eine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen – aber nicht im verworrenen Gefüge des österreichischen Föderalismus. Da ist Politikversagen immer eine reale Option. (Gerald John, 4.10.2023)