"Eine so schlimme, tragische Szene mit so vielen Toten hat noch keiner von uns gesehen, nicht einmal die Dienstältesten unter uns", erklärte der Chef der venezianischen Feuerwehr, Mauro Luongo, am Dienstagabend im italienischen Fernsehen. Er kämpfte mit den Tränen: "Die Körper lagen Seite an Seite, in den Flammen. Es war auch eine junge Frau dabei, mit einem kleinen Mädchen. Jetzt liegen sie hier unter der Brücke, zugedeckt mit einem Tuch."

Buswrack
Das Wrack des fast neuwertigen Busses, der von der Hochstraße abgekommen war.
EPA/ANDREA MEROLA

Luongo und sein 60 Männer und Frauen starkes Team waren wenige Minuten nach dem Unfall an der Unglücksstelle eingetroffen. Überlebende im Innern des brennenden Busses hätten verzweifelt "Help! Help!" gerufen. Auch der Bürgermeister von Venedig, Luigi Brugnaro, zeigte sich erschüttert. Auf X, vormals Twitter, sprach er von einer "großen Tragödie" und "apokalyptischen Szenen", für die es keine Worte gebe.

Der Unfall ereignete sich nach Angaben der Behörden um 19.50 Uhr auf einer Hochstraße zwischen Mestre und Maghera, zwei Bezirken Venedigs auf dem Festland. Der private Shuttlebus hatte zuvor 39 ausländische Touristen in Venedig abgeholt, um sie zu einem Campingplatz in Maghera zurückzubringen, wo die Übernachtungen preiswerter sind als in der Lagunenstadt.

Video: 21 Tote bei Busunglück in Venedig.
AFP

21 Tote

Im Bezirk Mestre kam das praktisch neue, elektrisch betriebene Fahrzeug auf einer schnurgeraden Hochstraße bei offenbar eher geringem Tempo aus bisher ungeklärten Gründen von der Fahrbahn ab, kippte über die Leitplanke und stürzte zehn bis 15 Meter in die Tiefe. Dabei gingen Teile des Fahrzeugs in Flammen auf. Der Bus schlug in unmittelbarer Nähe der Gleise auf; der Zugverkehr von und nach Venedig und auf der Strecke Mestre–Maghera blieb stundenlang unterbrochen.

Die tragische Bilanz des Unglücks: 19 Passagiere waren auf der Stelle tot, zwei starben im Krankenhaus, 18 Personen wurden verletzt, fünf davon schwer. Unter den Toten befinden sich neben dem 40-jährigen Fahrer auch mehrere Jugendliche und Kinder.

Die Identifizierung der Opfer ist noch nicht abgeschlossen, aber laut Angaben der Präfektur handelt es sich bei mindestens vier um ukrainische Staatsangehörige. Auch mindestens eine deutsche Staatsangehörige, ein Franzose und ein Kroate seien bei dem Unfall ums Leben gekommen, sagte der Polizeichef von Venedig, Michele Di Bari. Zwei Mädchen im Alter von drei und 13 Jahren, die schwer verletzt wurden, wurden zunächst für Österreicherinnen gehalten. Bei ihnen soll es sich allerdings um deutsche Staatsbürgerinnen handeln.

Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini sagte, dass der Unfall schwer zu erklären sei – die wahrscheinlichste Ursache sei ein plötzlicher Schwächeanfall des erfahrenen Fahrers. Für diese Theorie spreche unter anderem auch, dass keine Bremsspuren an der Unglücksstelle zu finden seien und dass es sich um eine eigentlich unproblematische Strecke handle. Müdigkeit hat wohl ebenfalls keine Rolle gespielt: Der Fahrer habe seinen Dienst erst eineinhalb Stunden vor dem Unfall angetreten, schreiben italienische Medien.

Überwachungskameras

Die Staatsanwaltschaft von Venedig hat eine Untersuchung eingeleitet. Dabei hoffen die Ermittler insbesondere auf Hinweise, die die Überwachungskameras geben könnten.

Der Busunfall hat im In- und Ausland große Betroffenheit ausgelöst. Der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, hat angeordnet, dass vor allen öffentlichen Gebäuden der Region die Flaggen auf halbmast gesetzt werden. Dasselbe hat Venedigs Bürgermeister Brugnaro angeordnet. Regierungschefin Giorgia Meloni drückte den Angehörigen im eigenen Namen und im Namen der ganzen Regierung ihr tiefes Beileid aus.

Der (katholische) Patriarch von Venedig, Francesco Moraglia, war noch am Unglücksabend zur Unfallstelle geeilt, um den Toten den letzten Segen zu erteilen. Beileidsbekundungen kamen unter anderem auch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Sie schrieb auf X: "Meine Gedanken sind bei den Opfern, ihren Familien und Freunden." (Dominik Straub, 4.10.2023)