Gerichtshammer
Der Ausgangsfall: Ein Gutsverwalter wollte für seine 323 offenen Urlaubstage der letzten 20 Jahre eine Ersatzleistung.
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Bis vor kurzem ging der Oberste Gerichtshof (OGH) noch davon aus, dass Arbeitnehmende selbst darauf zu achten haben, dass ihr Urlaubsanspruch nicht verjährt. Durch eine neue Entscheidung des OGH hat sich das nun aber verändert. Jetzt stehen Arbeitgeber stärker in der Pflicht.

Geld für 323 Tage

Der Ausgangsfall war laut des Fachartikels der Rechtsanwaltskanzlei Dorda eine Klage eines Gutsverwalters, der am Ende seines knapp zwanzigjährigen Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsersatzleistung für seine insgesamt rund 323 offene Urlaubstage forderte. Der Gutsverwalter hatte zwar einzelne Urlaubstage in Anspruch genommen, musste aber nach eigenen Angaben im Betrieb so viel arbeiten, dass er nicht den gesamten Urlaub aufbrauchen konnte.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstattete der Arbeitgeber dem Gutsverwalter die offenen Urlaubstage, aber nur für jene der letzten drei Jahre – statt der fast zwanzig Jahre. Der Arbeitgeber berief sich dabei auf die Verjährungsregelung des § 4 Abs 5 UrlG. Denn laut diesem Paragrafen verjährt der Urlaubsanspruch, wenn er nicht innerhalb von zwei Jahren konsumiert wird.

Zuerst verlor der Gutsverwalter seine Klage. Der länger als drei Jahre zurückliegende Urlaub sei nach Ansicht des Erstgerichts verjährt, eine finanzielle Entschädigung für die nicht verbrauchten Urlaubstage der gesamten Beschäftigungsdauer bekomme er nicht.

In zweiter Instanz recht bekommen

Doch der Gutsverwalter ging in Berufung. Und das zweite Urteil fiel anders aus: "Das Berufungsgericht und der OGH entschieden, dass der gesamte Urlaubsanspruch nach wie vor aufrecht sei, weil der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten verletzt habe", schreibt die Rechtsanwältin Florina Thenmayer.

Denn der Urlaub verfalle nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig und aktiv aufforderte, den Urlaub zu verbrauchen, und den Arbeitnehmer auch auf eine drohende Verjährung seiner (Urlaubs-)Ansprüche hinweist. In dem Fall des Gutsverwalters kam der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, und deshalb bekommt der Gutsverwalter nun doch für alle 323 Tage eine Ersatzleistung. Der OGH orientierte sich dabei an einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.

Was das für Arbeitgeber bedeutet

Das bedeutet, dass nun künftig die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stärker in der Verantwortung stehen. Sie müssen die Arbeitnehmenden aktiv auffordern, den Urlaub in Anspruch zu nehmen, und auf die Verjährung hinweisen. Diese Aufforderungen müssten auch bewiesen werden können, schreibt Thenmayer.

Passiert dies nicht, bleibt der Urlaubsanspruch erhalten. Dann könnten Arbeitnehmende wie in dem Fall des Gutsverwalters bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Ansprüche auf lang zurückliegende Urlaubsersatzleistungen erfolgreich einklagen. (red, 5.10.2023)