Experten hegten bereits unmittelbar nach der tödlichen Hundeattacke in der oberösterreichischen Marktgemeinde Naarn den Verdacht, dass hier nicht der bislang völlig unauffällige Hund ohne Vorwarnung zur blutrünstigen Bestie wurde. Fotos, die von der Tierschutzorganisation Pfotenhilfe Lochen dem STANDARD zugespielt wurden, scheinen diesen Verdacht nun zu erhärten.

Ein Hund bei der Schutzhundeausbildung
Der Rüde Elmo (Symbolbild), der für eine Joggerin zum tödlichen Verhängnis wurde, absolvierte eine "Schutzhundeausbildung".
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Konkret handelt es sich um Facebook-Screenshots des betroffenen Zuchtverbands der beiden Hundebesitzerinnen. Die Bilder, die unmittelbar nach dem tödlichen Zwischenfall gelöscht wurden, zeigen unter dem Titel "Elmo lässt’s krachen" den mittlerweile eingeschläferten American Staffordshire Terrier – offensichtlich bei einem sogenannten "Schutzhundetraining". Zu sehen ist das angeleinte Tier unter anderem dabei, als es sichtlich erregt auf einen Hundetrainer zuspringt. Auf anderen ist Elmo zu sehen, wie er sich in einen Armschutz verbeißt.

Das Schutzhundetraining speziell für private Hundehalter ist umstritten. So verbietet etwa das Wiener Tierschutzgesetz besagte Ausbildung explizit: Schutzhundeausbildung § 8a. Die Ausbildung von Hunden zu Schutzzwecken (Schutzhundeausbildung) sowie sonstige vergleichbare Ausbildungen von Hunden, die ein gegen den Menschen gerichtetes Angriffsverhalten beinhalten, sind verboten. Dieses Verbot gilt nicht für die Ausbildung von Diensthunden des Bundes.

Politik gefordert

Mit einem Blick auf die Website der Österreichischen Hundesport Union wird auch rasch klar, warum die scharfe Hundeausbildung eigentlich nur absoluten Profis vorbehalten sein sollte: "Der Hund hat gemäß Prüfungsordnung beispielsweise einen Überfall auf seinen Hundeführer energisch abzuwehren, die Entwaffnung des Scheintäters durch den Hundeführer aufmerksam zu überwachen, anschließend das Abführen des Scheintäters zu eskortieren und Fluchtversuche durch Nacheilen und Zufassen zu verhindern,..."

Vonseiten der Tierschutzorganisation Pfotenhilfe Lochen drängt man jetzt auf ein österreichweites Verbot von Schutzhundeausbildungen für Private. "Der American Staffordshire Terrier Elmo wurde auf Schärfe abgerichtet. Ich habe null Toleranz gegenüber dieser grausamen und unmenschlichen Abrichtung von Hunden und fordere Tierschutzminister Johannes Rauch daher auf, noch diesen Herbst ein längst überfälliges Verbot für Schutzhundeausbildung zu verhängen", sieht Pfotenhilfe-Chefin Johanna Stadler die Politik gefordert.

Das Ministerium von Rauch entgegnete am Mittwoch, dass der Schutz von Menschen vor Gefahren, die sich aus der Tierhaltung ergeben, grundsätzlich in den Sicherheitsgesetzen der Länder geregelt sei. Die Frage der sicheren Verwahrung von Hunden sei somit Thema von sicherheitspolizeilichen Bestimmungen. Eine Vereinheitlichung der aktuell neun Hundehaltegesetze wäre "durchaus wünschenswert". Aber, so hieß es auch aus dem Ministeriumsbüro, entsprechende Versuche nach einer tödlichen Hundebissattacke 2018 in Wien über eine 15a-Vereinbarung eine einheitliche Regelung zu erzielen, seien "am Widerstand einzelner Bundesländer gescheitert". Nach dem jüngsten tödlichen Angriff prüfe man aber mögliche Maßnahmen, "etwa die Ausweitung von Sachkundenachweisen".

Abnahme der Hunde

In der kleinen Marktgemeinde Naarn sitzt nach dem Hundeangriff der Schock tief. Nach langen Gespräche sei es am Dienstagabend gelungen, dass die 36-jährige Hundebesitzerin, deren Partnerin durch den American Stafford Terrier ebenfalls schwer verletzt worden war, einer freiwilligen Abnahme von vier Hunden sowie sieben Welpen zugestimmt habe, erläutert Bürgermeister Martin Gaisberger gegenüber dem STANDARD. "Dort wird auch nie wieder ein Hund einziehen." Aktuell werde zudem ein behördliches Zuchtverbot für das Pärchen geprüft. Jetzt gehe es aber darum, den Bürgern die Angst zu nehmen: "Und der Trauer Raum zu geben." (Markus Rohrhofer, 4.10.2023)