Katze Schnurren
Katzen schnurren vor allem dann, wenn sie entspannt sind. Wie aber erzeugen sie diese tiefen Wohlfühltöne?
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Das wohl schönste und angenehmste Geräusche für Katzenliebhaber ist das Schnurren ihrer Samtpföter. Es zeigt im Normalfall an, dass die Haustiere zufrieden sind und sich sicher fühlen. Warum sie schnurren, ist also offensichtlich. Wie aber Katzen ihre tiefen Wohlgeräusche erzeugen, war lange umstritten und wissenschaftlich ein Rätsel. Das bestand vor allem darin, wie so kleine Tiere (Katzen wiegen im Normalfalls nur vier bis fünf Kilogramm) derartig niederfrequente Laute – typischerweise zwischen 20 und 30 Hertz (Hz) – zu erzeugen imstande sind.

Eigentlich zu klein für tiefe Töne

Solche niedrigen Frequenzen werden normalerweise nur von sehr viel größeren Tieren wie Elefanten produziert, die viel längere Stimmbänder haben. Und während Großkatzen wie Löwen und Tiger auch zu lautem, tiefem Brüllen fähig sind, können Hauskatzen nur ein niederfrequentes Schnurren erzeugen. Eine neue Studie um den österreichischen Stimmforscher Christian Herbst, der viele Jahre als Stimmpädagoge arbeitete und heute an der Universität Wien und der Shenandoah University im US-Bundesstaat Virginia forscht, könnte nun endlich eine wissenschaftlich haltbare Antwort liefern.

Beginnen wir mit Grundsätzlichem: Die meisten Lautäußerungen von Säugetieren, einschließlich anderer Katzengeräusche wie Miauen und Fauchen, werden auf ähnliche Weise erzeugt: Ein Signal des Gehirns veranlasst die Stimmbänder, sich zusammenzudrücken. Der Luftstrom durch den Kehlkopf bewirkt, dass die Stimmbänder hunderte Male pro Sekunde gegeneinanderschlagen und so einen Ton erzeugen. Dieser Prozess ist ein passives Phänomen: Sobald die Stimmbänder zu vibrieren beginnen, ist kein weiterer neuronaler Input erforderlich, um sie in Gang zu halten.

Hypothese der Muskelkontraktion

Das Schnurren funktioniert auf andere Weise, vermuteten Wissenschafter bereits in den 1970er-Jahren. Die damals entwickelte Hypothese der aktiven Muskelkontraktion besagt, dass Hauskatzen ihre Kehlkopfmuskeln etwa 30-mal pro Sekunde aktiv zusammenziehen und entspannen, um zu schnurren. Diese Vermutung, die auf Messungen der elektrischen Aktivität der Kehlkopfmuskeln bei schnurrenden Katzen beruhte, blieb aber nicht die einzige Katzenschnurrvermutung. Viele davon sind allerdings sehr umstritten und gelten als widerlegt:

The Cutest Purr in the World
Schnurren in Perfektion.
Sho Ko

Eine weitgehende Klärung der Frage dürfte nun die neue Studie liefern, die im Fachblatt "Current Biology" erschien. Zur Durchführung der Untersuchung entfernten Hauptautor Christian Herbst und sein Team die Kehlköpfe von acht eingeschläferten Hauskatzen, die alle an unheilbaren Krankheiten gelitten hatten und mit dem vollen Einverständnis ihrer Besitzer untersucht wurden. Die Forschenden klemmten die Stimmbänder zusammen und pumpten warme, befeuchtete Luft durch sie hindurch. Indem sie den Kehlkopf auf diese Weise isolierten, stellten die Stimmforscher sicher, dass jedes erzeugte Geräusch ohne Muskelkontraktionen oder Eingaben des Gehirns zustande kam.

Pölsterchen statt Kontraktionen

Das Team war in der Lage, in allen Kehlköpfen ein Schnurren zu erzeugen, was für Christian Herbst eine "große Überraschung" war, wie er gegenüber dem Magazin "Science" sagte. Ohne aktive neuronale Steuerung erzeugten alle acht Kehlköpfe selbsterhaltende Schwingungen mit Frequenzen zwischen 25 und 30 Hz – ein Hinweis darauf, dass das Schnurren nicht unbedingt aktive Muskelkontraktionen erfordert. Bei näherer Betrachtung der Anatomie entdeckten Herbst und Kollegen ungewöhnliche Ansammlungen von faserigem Gewebe, die in die Stimmbänder der Katzen eingebettet waren.

Anatomen hatten diese Ansammlungen schon früher bemerkt, aber niemand wusste, welche Funktion sie haben könnten. Möglicherweise erhöhen diese "Polster" die Dichte der Stimmbänder, vermutet Herbst, sodass sie langsamer schwingen und die Katzen trotz ihrer relativ geringen Größe niederfrequente Töne erzeugen können. Anatomisch gesehen funktioniert der Prozess ähnlich wie die Schnarrstimme (englisch: "Vocal Fry") – ein tiefes Vibrato, das manchmal am Ende von Wörtern hinzugefügt wird.

The Vocal Fry Epidemic
Eine Schnarrstimmen-Gegnerin erklärt das Phänomen.
Abby Normal

Das neue Experiment deutet zudem darauf hin, dass das Schnurren, wie auch das Miauen und Zischen, ein passives Phänomen ist, das automatisch abläuft, nachdem das Gehirn der Katze das erste Signal zum Schnurren gegeben hat, so die Forscher. Diese Erklärung "deckt sich viel eher mit dem, was wir darüber wissen, wie Vokalisationen bei anderen Wirbeltieren entstehen", sagt Karen McComb, Expertin für Tierverhalten und Kognition an der Universität Sussex, die nicht an der Studie beteiligt war.

Unlösbare Frage

Bleibt die Frage, ob sich die Stimmbänder lebender Katzen genauso verhalten wie die chirurgisch entfernten Stimmbänder der toten Katzen aus der Studie. Sich nur die entfernten Kehlköpfe anzuschauen, sei so, als würde man das Mundstück eines Blasinstruments entfernen und dessen Töne isoliert analysieren, wendet der Biomechanik-Ingenieur David Rice in "Science" skeptisch ein. Ob sich diese Frage je klären lässt, bliebt abzuwarten. Denn, siehe oben, eine Katze schnurrt im Normalfall nur dann, wenn sie sich sicher, wohl und zufrieden fühlt – und eher nicht, wenn ihnen Sonden in den Kehlkopf eingeführt werden. (tasch, 5.10.2023)