Die Geschichte des Inflationsjahres 2023 muss für Österreich umgeschrieben werden. Bisher ging die Erzählung ja so: Die Inflation bleibt zwar hoch, und die konjunkturelle Lage ist im Jahresverlauf auch nicht rosig. Aber ein wenig wächst die Wirtschaft. Seit Freitag sieht es nun so aus, dass es dieses Wachstum nicht geben wird.

Die beiden Forschungsinstitute Wifo und IHS haben ihre neue Prognose veröffentlich. Die Institute haben ihre Wachstumserwartungen stark nach unten revidiert. So zeigt sich, dass Österreichs Wirtschaft 2023 schrumpft, und zwar laut Wifo um immerhin 0,8 Prozent und laut IHS um 0,4 Prozent. Noch Ende Juni hatten beide Institute ein Wachstum von 0,3 beziehungsweise 0,5 Prozent vorhergesagt, so wie es auch die Nationalbank erwartete.

Angesichts der Entwicklung drängt sich die Frage auf, ob es Zeit für ein Konjunkturpaket ist, also ob der Staat mit frischem Geld die Wirtschaft ankurbeln muss?

Umso mehr, als Österreichs Fiskalpolitik zurückhaltender wird. Nach der Pandemie und den großen Hilfspaketen 2022 geht die Neuverschuldung heuer zurück. Der Staat wird sparsamer und finanziert einen kleineren Teil seiner Ausgaben über Kredite. Angesichts der Rezession lässt sich argumentieren, dass diese Strategie falsch ist. Gegen Konjunkturspritzen spricht, dass der Arbeitsmarkt robust ist.

Investitionen im Bausektor gehen zurück, auch im kommenden Jahr.
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Sowohl Wifo-Chef Gabriel Felbermayr als auch sein Kollege vom IHS, Holger Bonin, plädieren für ein gezieltes staatliches Konjunkturprogramm, aber nur in der Bauwirtschaft. Felbermary sprach davon, dass hier "stützend" eingegriffen werden sollte. Der Bausektor leidet besonders unter der Kombination von gestiegenen Zinsen und hohen Preissteigerungen. Die Investitionen in Bauten sollen laut Wifo heuer um 2,7 Prozent und im kommenden Jahr sogar um 4,1 Prozent zurückgehen. Der Bau ist auch der Sektor mit dem größten Anstieg der Arbeitslosenquote, die im Jahresabstand um 8,6 Prozent zugelegt. Interessant ist freilich, dass die Baupreise nicht gesunken sind, und das, obwohl Materialkosten stark rückläufig waren, wie Ökonom Michael Klien sagt.

Koalition interessiert

Wifo-Chef Felbermayr argumentiert, dass der Staat Geld investieren sollte, weil der aktuelle Abschwung verdecke, dass in Zukunft mehr Bauinvestitionen benötigt werden – insbesondere, um die grüne Wende zu schaffen. Nun den Sektor schrumpfen zu lassen und vielleicht zu riskieren, dass ihm viele Beschäftigte den Rücken kehren, wäre ein Fehler. Und: Mehr Wohnbau bedeute auch, dass die Preise fürs Wohnen tendenziell sinken.

Der Ruf nach einem Hilfspaket für die Bauwirtschaft dürfte auf fruchtbaren Boden fallen: Die Gewerkschaft trommelt das Thema, die Unternehmen haben sowieso nichts dagegen. Und auch ÖVP und Grüne treffen sich hier. Der kleine Koalitionspartner, weil sich mit mehr Sanierungen der Klimaschutz vorantreiben lässt. Die ÖVP, weil ein Förderpaket für Einfamilienhäuser der eigenen Klientel zugutekommt.

Auch die Banken arbeiten an einem Hilfspaket für Häuselbauer, die sich mit variablen Darlehen übernommen haben. Dem Vernehmen nach war geplant, dass Regierung und Banken parallel etwas präsentieren. Allerdings gibt es noch Streitpunkte. Die Kreditinstitute drängen darauf, dass eine Verordnung gelockert wird, die strikte Kriterien dafür festlegt, wer an Kredite kommt. Eine andere offene Frage ist, woher das Geld kommen sollte.

Der ÖGB thematisierte zuletzt offensiv, wie sehr die Bankengewinne gestiegen sind. Sie kletterten auf 7,3 Milliarden Euro heuer, eine Verdopplung im Vorjahresvergleich. Das liegt an den gestiegenen Zinsen. Österreich könnte rasch die Stabilitätsabgabe, die Banken zu zahlen haben, erhöhen. Wäre das sinnvoll, um ein Hilfspaket für den Bau zu finanzieren? Wifo-Chef Felbermayr winkt ab und spricht sich dagegen aus. Ein solcher staatlicher Eingriff sorge bloß dafür, dass die Banken später "jedes moralisches Recht haben" Staatshilfen zu fordern, wenn es einmal nicht so gut läuft. Außerdem komme ein abschöpfen von vermeintlichen Übergewinnen meist zu spät, wenn es der Branche gar nicht mehr so gut gehe. (András Szigetvari, 7.10.2023)

Braucht die Wirtschaft ein Hilfspaket?