Ein Palästinenserin mit ihrem Kind.
Ein Palästinenserin mit ihrem Kind. Die Zivilbevölkerung ist wie immer die Leidtragende.
REUTERS/MOHAMMED SALEM

Mit ihrem blutigen Überfall auf Israel am Samstag hat die Terrororganisation Hamas die Region in einen Krieg gestürzt, der wohl länger dauern, viele Menschenleben kosten und Traumata hinterlassen wird, die noch mehrere Generationen überschatten werden. Es ist ein Krieg, der nur Verluste bringen wird.

Niemand kann ihn gewinnen. Weder die Hamas-Kämpfer und ihre Unterstützer in der Westbank, aber auch in Europa und den USA, die mit himmelschreiendem Zynismus das Morden und Foltern auch noch als Freiheitskampf verkaufen wollen. Noch die Israelis, die sich in den vergangenen Jahren mit der Illusion angefreundet haben, mit ihren ausgeklügelten Raketenabwehrsystemen zwar nicht die Bedrohung aus dem Gazastreifen abschirmen, aber wenigstens die Opferzahl auf eigener Seite vergleichsweise gering halten zu können. Schon gar nicht jene Menschen in Gaza, die nicht mit der Hamas leben wollen, aber keine andere Option haben, weil sie das Gebiet weder verlassen noch ihre Führung abwählen können.

Wehren mit Bedacht

Israel wurde angegriffen, es muss sich wehren. Das Land, das für seine Kriegsführung von so vielen kritisiert wird, hat das Recht, sich zu verteidigen. Und die israelischen Streitkräfte tun es mit Bedacht, militärische Infrastruktur, nicht aber zivile Ziele anzugreifen. In dichtbesiedeltem Gebiet, wie es die Städte im Gazastreifen sind, gelingt das aber nicht immer. Man nennt das in unterkühltem Kriegsführungsvokabular dann Kollateralschaden.

In diesem Krieg und angesichts einer unbekannten Anzahl israelischer Geiseln, die in den Gazastreifen verschleppt wurden, könnten sich unter den zivilen Opfern israelischer Vergeltungsschläge auch Israelis befinden. Das macht die Planung dieses Einsatzes besonders komplex: Was, wenn die Hamas, wie sie es auch mit den eigenen Leuten tut, die israelischen Geiseln als menschliche Schutzschilder verwendet? Die Armee kann dann nicht anders, als von einem Beschuss dieser Ziele abzusehen – selbst dann, wenn es strategisch geboten wäre. Mit der Gegenseite über einen Geiselaustausch zu verhandeln, ist ebenso problematisch – es handelt sich schließlich um die Hamas, und die hat am Samstag ihr wahres Gesicht in erschreckender Klarheit gezeigt.

Unerreichbares Ziel

Die israelische Führung will aus Fehlern der Vergangenheit lernen. Das bedeutet diesmal, dass man keine baldige Waffenruhe anstrebt. Ziel ist vielmehr, den Militärapparat der Hamas in die Knie zu zwingen um zu garantieren, dass er so bald nicht mehr aufstehen wird. Die Trennlinie zwischen militärischem und politischem Arm der Hamas verläuft aber nicht so klar, wie man es sich das vielleicht wünschen würde. Das bewirkt, dass es immer auch zivile Opfer im Gazastreifen geben wird. Es wirft aber auch die Frage auf, ob das Ziel, sich vom Terrorregime in der Nachbarschaft zu befreien, überhaupt erreichbar ist. Israel versucht es auch mit nichtmilitärischen Mitteln – etwa dem Abschneiden der Stromversorgung. Diese Blockade trifft aber die Ärmsten im Gazastreifen als Erste.

Irgendwann wird auch dieser Krieg zu Ende sein. Dann beginnen der schleppende Aufbau, die psychische Bewältigung und vor allem das ungewisse Warten, wie lange es dauert, bis der nächste Krieg beginnt. Klar ist nur: Auch er wird nicht zu gewinnen sein. (Maria Sterkl, 9.10.2023)