Die Flagge Israels wehte am Wochenende über den Dächern des Bundeskanzleramts und des Außenministeriums. Doch während sich die österreichische Politik solidarisch mit Israel erklärte und den terroristischen Angriff der palästinensischen Hamas aufs Schärfste kritisierte, zogen antiisraelische Demonstrationen durch Wien.

Bereits Samstagnachmittag versammelten sich Aktivistinnen und Aktivisten mit Palästina-Flaggen auf der Wiener Mariahilfer Straße und skandierten "Freiheit für Palästina". Ein Video, das von dem Journalistenbündnis Kollektiv Communique auf X (vormals Twitter) veröffentlicht wurde, zeigt außerdem propalästinensische Kundgebungen auf dem Ballhausplatz. Den Clip teilte auch Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) und betonte: "Es ist erschreckend und inakzeptabel, dass die Angriffe der Hamas auf Israel in Wien bejubelt werden."

Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich verurteilte in einer Aussendung am Sonntag "nicht nur Gewaltexzesse und eklatante Menschenrechtsverletzungen aufs Schärfste", sie reagierte auch auf die Kundgebungen und rief dazu auf, "jegliche Form der Gewaltverherrlichung, die vereinzelt auf den Straßen Österreichs zu beobachten ist, zu unterlassen".

Fotos mit Hamas-Anführer

Doch dass die Hamas-Terroristen in Wien glorifiziert werden, ist keine Überraschung. Im Gegenteil. Das zeigt ein Blick in den zigtausend Seiten dicken Akt zur sogenannten Operation Luxor, der dem STANDARD vorliegt. Im Zuge der Ermittlungen fanden am 9. November 2020 dutzende Razzien gegen angebliche Muslimbrüder in Österreich statt. Im Fokus stand dabei auch die Frage, ob die Islamisten über Umwege die Hamas, die einst aus einem palästinensischen Ableger der Bruderschaft hervorgegangen war, finanziert haben.

Dieser Verdacht hat sich drei Jahre nach den Razzien zwar nicht erhärtet – etwa im Fall eines 60-jährigen Mannes, der mit einem Wiener Spendenverein in Verbindung gebracht wird. Das Verfahren gegen ihn wurde mittlerweile eingestellt. Allerdings fanden Ermittler reichlich Hamas-Propaganda auf dem Smartphone des Mannes, darunter antijüdisches Material, in dem Jerusalem als "Friedhof der Juden" bezeichnet wird. Auf Fotos aus dem Jahr 2012 ist jener Mann zudem mit Hamas-Anführer Ismail Haniyya zu sehen. Angeblich fand zu diesem Zeitpunkt eine Konferenz in Gaza statt. In Sicherheitskreisen ist man sich weiterhin sicher, dass auch über die Strukturen der Muslimbruderschaft in Österreich die Hamas mitfinanziert wird.

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Einschlägige Predigten

Weitere Einblicke liefert ein Verein in Österreich, der 1998 gegründet wurde und als wichtigste Organisation der Muslimbruderschaft in Österreich gilt. In der Wiener Zen­trale der Vereinigung konnten Ermittler einen Leitfaden sicherstellen, in dem nicht nur breit über die Hamas aufgeklärt, sondern auch die "Befreiung des Heiligen Landes und seiner Säuberung vom zionistischen Schmutz" propagiert werde, wie aus dem Akt hervorgeht. Im Grazer Ableger tauchte wiederum ein Papier auf, in dem palästinensische Terroristen zu Helden stilisiert wurden. Darunter ein eminenter Hamas-Kader, der in den 1990ern etliche Bombenanschlage verübt hatte.

Video: Was bisher über den Hamas-Angriff auf Israel bekannt ist
AFP

Sehr deutlich geworden sei auch der Prediger einer Wiener Moschee. Laut einer Studie der Dokumentationsstelle Politischer Islam soll dieser in früheren Reden in der Moschee unter anderem von den "Helden in Gaza" oder "unseren Brüdern, die Führer der Hamas, die Führer des Widerstandes", gesprochen haben.

Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen

Doch was bedeuten diese Verstrickungen und Demonstrationen für die Situation der in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden? Zwar gibt es derzeit keine erhöhte Gefahr für Jüdinnen und Juden, doch wann immer der Konflikt in Israel eskaliert, stehen auch heimische Institutionen in dem Risiko, Ziel eines Übergriffs zu werden. Infolge der terroristischen Angriffe auf Israel wurden in Österreich daher die Schutzmaßnahmen für Synagogen und andere Einrichtungen der Israelitische Kultusgemeinde erhöht."Der Verfassungsschutz geht konsequent gegen jede Form von islamistischen Extremismus und Terrorismus vor. Er bekämpft aber auch jene, die diesen Terrorismus und seine schrecklichen Taten finanzieren, bzw. versuchen zu legitimieren", wird Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer Erklärung zitiert.

In Sicherheitskreisen fürchtet man, dass die Demonstrationen von palästinensischen Aktivistinnen und Aktivisten noch zunehmen werden – dementsprechend stünden sie unter Beobachtung. Das ist es auch das, was FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer fordert. Er erklärte, der Verfassungsschutz müsse sich mit den "Terrorsympathisanten" beschäftigen und forderte, dass der "illegalen Masseneinwanderung ein Riegel vorgeschoben werde". Und auch ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer will nach den antiisraelischen Kundgebungen "nicht zur Tagesordnung übergehen". Am Sonntagnachmittag wurde jedenfalls erneut demonstriert – wenn auch nur im kleinen Kreis: Nicht einmal zehn Personen, die meisten von ihnen in Palästina-Fahnen gehüllt, bekundeten am Denkmal der Verfolgten der NS-Militärjustiz am Wiener Ballhausplatz ihre Solidarität mit Palästina.(jan, ook, 8.10.2023)