Ganz Prag könnte man in Österreich unterbringen, ohne eine einzige Wohnung bauen zu müssen. Laut Statistik Austria gab es per 31. Oktober 2021 (dem Stichtag der jüngsten Auswertung) bundesweit in fast jeder siebenten Wohnung keine Wohnsitzmeldung, also weder Haupt- noch Nebenwohnsitz. Das wären immerhin 635.000 leere Wohneinheiten. Bei einer statistischen Belegung von 2,2 Personen hätten hier die etwas mehr als 1,3 Millionen Pragerinnen und Prager bequem Platz.

Türklingeln ohne Namen
Ob eine Wohnung leer steht oder nicht, ist oft nicht ganz einfach zu beurteilen.
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Allerdings: Ganz genau weiß man es nicht. Fundierte Leerstandserhebungen finden in Österreich kaum statt; und sowohl das Melde- als auch das Gebäude- und Wohnungsregister, die die Statistikbehörde für die Erhebung der leeren Wohnungen übereinandergelegt hat, gelten als wenig verlässlich.

Sucht man eine Gemeinde, die es ganz genau wissen will, wird man in Innsbruck fündig. Dort wird seit 2019 an einer Vollerhebung des Leerstands gearbeitet. Bei jeder Neu- oder Ummeldung wird das betreffende Haus ganz genau auf die richtige Erfassung kontrolliert und auch mit den baurechtlich bewilligten Plänen abgeglichen, erklärt Manfred Hirsch, Referatsleiter am Innsbrucker Magistrat. Mittlerweile wurde der Innsbrucker Wohnungsbestand von rund 78.000 Einheiten zu rund 50 Prozent "berichtigt", wie Hirsch das nennt. Halbjährlich werden Daten veröffentlicht, zuletzt im Juli. Da erhob man eine Leerstandsquote von 8,7 Prozent des bis dahin "korrigierten" Wohnungsbestands. Zur Einordnung: Eine bestimmte Leerstandsquote – 2,5 bis drei Prozent – ist grundsätzlich wichtig, um Fluktuation auf einem Wohnungsmarkt zu ermöglichen.

Abgaben in mehreren Ländern

In den vergangenen Jahren ist der Leerstand vor dem Hintergrund hoher Immobilien- und Grundstückspreise auch in der Landespolitik angekommen. Leerstandsabgaben wurden in Tirol, Salzburg und der Steiermark bereits beschlossen. In Vorarlberg erfolgte der Beschluss für die Einführung einer Zweitwohnsitzabgabe vor wenigen Tagen.

Nur in Tirol wurden die Gemeinden per Gesetz verpflichtet, die Abgabe einzuheben, in den anderen Bundesländern wurden sie dazu ermächtigt. In 170 von 286 steirischen Gemeinden ist eine entsprechende Verordnung bisher erlassen worden. In manchen Gemeinden wird noch diskutiert. So auch in Graz, wo man "erkannt hat, dass mit dem aktuellen Datenbestand eine Leerstandsabgabe nicht sinnvoll eingehoben werden kann", wie es aus dem Büro der Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) heißt. Man ist aber mit Innsbruck im Austausch und stockt gerade das Personal auf, um 2024 mit der systematischen Erfassung des Gebäudebestands beginnen zu können.

Debatte in Hartberg

Viel diskutiert wird auch noch in Hartberg, wo Grünen-Gemeinderat Christoph Wallner einen Dringlichkeitsantrag pro Leerstandsabgabe im Gemeinderat eingebracht hat, der auch angenommen wurde. Entschieden wird über die Sache aber erst in den nächsten Sitzungen.

Es habe zuletzt viele Anlegerprojekte gegeben, berichtet Wallner dem STANDARD. Mit einer Leerstandsabgabe könnte einerseits der Bau von später leer stehenden Anlegerwohnungen eingedämmt werden, andererseits fließe das Geld aus der Abgabe ins Gemeindebudget.

So wie das auch in Tirol der Fall ist. In kleineren Gemeinden ist oft noch gar nicht klar, welche Abteilung dafür zuständig ist. Das ist nicht weiter verwunderlich: Das Tiroler Freizeitwohnsitz- und Leerstandsabgabegesetz ist erst heuer in Kraft getreten – die "Selbstermessungsabgabe" ist erstmals im April 2024 fällig. Ab Mai 2024 dürfen Gemeinden auch selbst Kontrollen durchführen — aber nur, wenn der Verdacht besteht, dass eine Immobilie leer steht. Dann kann die Gemeinde etwa ins Melderegister einsehen und Kontakt zu Eigentümern aufnehmen.

Maximal 5000 Euro pro Jahr in Salzburg

Eine Leerstandsabgabe ist seit Jänner auch im Bundesland Salzburg in Kraft. Auch hier fehlen derzeit noch die Zahlen, nämlich sogar dazu, in wie vielen Gemeinden mittlerweile die entsprechende Verordnung überhaupt beschlossen wurde, kritisiert Simon Heilig-Hofbauer von den Salzburger Grünen, der dazu eine Anfrage im Landtag stellen will. Wie groß das Thema Leerstand ist, kann Heilig-Hofbauer nicht abschätzen. Jede einzelne Wohnung, die durch die gesetzliche Regelung auf den Markt gebracht werde, sei wichtig. "Und man kennt in Salzburg ja die Wohnungen, in denen nur zur Festspielzeit Licht brennt."

Bei einer älteren Wohnung mit 40 Quadratmetern liegt der Höchstbetrag bei maximal 400 Euro im Jahr, bei 40 bis 70 Quadratmetern sind es 700 und bei 100 bis 130 Quadratmetern sind es maximal 1300 Euro. Der Maximalbetrag für eine 220 Quadratmeter große Neubauwohnung liegt bei 5000 Euro im Jahr. "Wer sich eine 220 Quadratmeter große Wohnung leisten kann, kann sich auch das leisten", sagt Heilig-Hofbauer. Er betont aber auch: "Irgendwo muss man beginnen." Zwar hätte man es durch höhere Beträge durchaus darauf ankommen lassen können. Experten der Landesregierung seien aber der Ansicht gewesen, dass man sich mit den gestaffelten Beträgen im Rahmen des rechtlich Möglichen bewege.

Wien hofft auf den Bund

In Vorarlberg hat der Landtag vor wenigen Tagen eine Zweitwohnsitzabgabe beschlossen, die am 1. Jänner in Kraft tritt. Wohnungen, die über mehr als die Hälfte des Kalenderjahres keine Hauptwohnsitzmeldung haben, gelten dann als Zweitwohnsitz und können abgabenpflichtig werden. Über die Einführung entscheiden aber auch hier die Gemeinden. Die maximale Höhe der Abgabe wird bei 2775 Euro pro Jahr für eine Wohnung liegen.

In solchen Höhen bewegen sich die Abgaben in allen Bundesländern, zudem gibt es zahlreiche Ausnahmen (siehe unten). Hintergrund ist die Angst vor dem Verfassungsgerichtshof, der eine Wiener Leerstandsabgabe 1985 kippte, weil es sich um eine Kompetenzüberschreitung gehandelt habe. Ob leere Wohnungen damit mobilisiert werden können, wird sich weisen.

Wien führt demnächst eine Zweitwohnungsabgabe für Nichtwiener ein. Was eine generelle Leerstandsabgabe betrifft, wünscht man sich nach wie vor, dass der Bund aktiv wird. Abgaben, die verfassungskonform und daher niedrig sind, hätten keinen Lenkungseffekt, ist man im Büro von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) überzeugt. Es könnte durchaus sein, dass sich diese Ansicht in jenen Bundesländern, die die Abgabe haben, alsbald bestätigt. (Martin Putschögl, Franziska Zoidl, 16.10.2023)