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Raketenbeschuss auf Israel aus dem Gazastreifen.
REUTERS/AMIR COHEN

Wien – Die Europäische Kommission teilte am Montag mit, dass sie ihr gesamtes Portfolio an Entwicklungshilfe für die Palästinenser im Wert von 691 Millionen Euro auf den Prüfstand stelle und alle Zahlungen sofort aussetze. "Das Ausmaß des Terrors und der Brutalität gegen Israel und sein Volk ist ein Wendepunkt", sagte Oliver Varhelyi, EU-Kommissar für die Nachbarschaft der EU, in einem Beitrag auf X (vormals Twitter). "Es kann kein 'business as usual' geben."

Bei dem tödlichsten Angriff seit dem Jom-Kippur-Krieg vor 50 Jahren durch militante Hamas-Kämpfer starben in Israel seit Samstag mehr als 800 Menschen. Zudem entführte die Hamas dutzende Personen. Daraufhin schlug Israel mit seinem bisher schwersten Bombardement des Gazastreifens zurück. Gaza vermeldete 560 Tote. Die EU ist bisher einer der größten Geldgeber in den palästinensischen Gebieten und hatte von 2021 bis 2024 insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro für die Finanzierung von Projekten eingeplant, insbesondere im Bildungs- und Gesundheitsbereich. Die Hamas werde von der EU aber nicht "direkt oder indirekt" unterstützt, betonte ein EU-Sprecher.

Nach den Angriffen stellt auch Österreich seine Entwicklungszusammenarbeit mit den palästinensischen Gebieten ein. Das kündigte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) im Ö1-"Morgenjournal" am Montag an. Die Gelder in der Höhe von rund 19 Millionen Euro würden evaluiert werden, betroffen seien davon "eine Handvoll" Projekte.

Video: Was bisher über den Hamas-Angriff auf Israel bekannt ist
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Entwicklungszusammenarbeit als Säule der Stabilität

Das deutsche Entwicklungsministerium entschloss sich ebenfalls nach einer kontroversen innenpolitischen Debatte, die Finanzhilfen für die Zusammenarbeit mit den palästinensischen Gebieten "vorübergehend" auszusetzen. Nach Angaben der Ministeriumssprecherin waren für dieses und nächstes Jahr rund 125 Millionen Euro an bilateraler Entwicklungszusammenarbeit zugesagt. Bis auf weiteres steht das Engagement auf dem Prüfstand. Die israelische Regierung hat in der Vergangenheit mehrfach Vorwürfe erhoben, Hilfsgelder der EU würden zugunsten palästinensischer Terroristen abgezweigt.

Österreich wird sich in Bezug auf weitere Schritte mit anderen EU-Ländern abstimmen. Zudem hat das Außenministerium am Montag den iranischen Botschafter ins Haus zitiert. Als Grund nannte Schallenberg die Freudenfeiern und Glückwünsche aus dem Iran an die Hamas-Terrororganisation. Schallenberg nannte solche Reaktionen "unerträglich und menschenverachtend". Das Ausmaß des Terrors sei "entsetzlich" und "ein derartiger Bruch, dass man nicht zur Tagesordnung übergehen kann". Dem iranischen Botschafter sei daher auf hoher Beamtenebene unmissverständlich mitgeteilt worden, dass Österreich jede Infragestellung des Existenzrechts Israels kategorisch verurteile.

Die Vertretung von Palästina – die palästinensischen Gebiete werden von Österreich nicht als Staat im Sinn des Völkerrechts anerkannt – kritisierte die Entscheidung: "Dieser Schritt bedeutet eine kollektive Bestrafung für die palästinensische Bevölkerung und unterstützt Israels aggressive Politik gegen die palästinensische Zivilbevölkerung", teilte Botschafter Salah Abdel Shafi in einer Aussendung mit. Er hoffe, dass die österreichische Bundesregierung den Beschluss revidiere, denn die internationale Entwicklungszusammenarbeit sei eine wichtige Säule der Stabilität in der Region.

8.300 Österreicher in Israel

Die Hilfsorganisation Care appellierte an die Bundesregierung, die Prüfung der betroffenen Projekte so rasch wie möglich durchzuführen, damit sie ihre "humanitäre Arbeit ehestbaldig fortsetzen und besonders vulnerable Gruppen wie Frauen, Kinder und ältere Menschen weiter unterstützen" könne. Care Österreich führt derzeit zwei Projekte in Palästina durch, die finanziell von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) unterstützt werden.

Aktuell halten sich rund 8.300 Österreicherinnen und Österreicher in Israel auf, darunter "rund 250 Reiseregistrierte", hieß es am Sonntagabend aus dem Außenministerium. Das Ministerium unterstütze aktiv bei Fragen zu einer Ausreise. Zu den rund 8.300 genannten Personen würden aber auch in Israel ansässige Auslandsösterreicher zählen.

Schallenberg sagte im Ö1-Gespräch auch, dass Österreich über seine Botschaft ständigen Kontakt halte mit den sich in Israel aufhaltenden Bürgerinnen und Bürgern. 100 davon würden Israel derzeit verlassen. Noch gebe es Linienflüge, die Grenze nach Jordanien sei offen. Die Situation sei aber "natürlich volatil und kann sich laufend ändern". Ein mobiles Krisenteam sei auf dem Weg nach Israel, um die Botschaft zu verstärken und Präsenz am internationalen Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv auszubauen, kündigte Schallenberg an. (red, APA, 9.10.2023)