Eine zerknüllte Schutzmaske liegt auf dem Boden
Der Schaden, der der Republik aus schadhaften Masken und inadäquaten Schutzanzügen entstanden sei, soll rund 39 Millionen Euro betragen.
imago images/Alex Halada

Die Vorwürfe wiegen schwer: Entscheidungsträger des Roten Kreuzes hätten "rechtswidrig und schuldhaft" gehandelt, die "zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen" und damit dazu beigetragen, die Republik Österreich um mehr als zwanzig Millionen Euro zu schädigen. Die WKStA ermittelt gegen die Einkaufstochter des Roten Kreuzes, die ÖRK Einkauf & Service GmbH (ÖRK E&S), zudem werden ein früherer Rotkreuz-Manager und bislang unbekannte Täter als Beschuldigte geführt. Es geht um die Masken-Causa, die zu Anfang der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 spielt, als Österreich händeringend nach Schutzmaterial suchte.

Österreich bezog dann chinesische Masken – über Südtirol. Der italienische Oberalp-Konzern, der vor allem Sportbekleidung (etwa Salewa) produziert, hatte über seine Zulieferer in China die notwendigen Kontakte. Die Südtiroler Behörden hätten es aber "nicht geschafft, die bestellte Ware direkt nach Südtirol zu bekommen", erzählte der damalige Generalsekretär im Verteidigungsministerium, Dieter Kandlhofer, später den Ermittlern. Am Rande eines Ministerrats sei über die Probleme der Südtiroler gesprochen worden, und er habe es dann bewerkstelligt, dass "auch die Ware für Südtirol bei uns mitfliegt". So sei der Kontakt zu Oberalp-Managern entstanden.

Alarm ignoriert

Ein damals gefeierter politischer Coup und ein Bombengeschäft für Oberalp, allerdings mit fatalen Folgen: Auch hunderttausende mangelhafte Masken gelangten so ins Land. Und das, obwohl in zwei Gutachten schon früh Alarm geschlagen worden war.

Am 27. März 2020 prüfte das deutsche Institut Dekra, danach das österreichische Bundesheer die Qualität der Masken. Das Verteidigungsministerium sei "Dienstleister in der Logistik" und für die "Erstellung der Gutachten" der Heeresprüfer zuständig gewesen, gab Kandlhofer bei den Ermittlern an. Er habe gehört, dass das Dekra-Gutachten "recht negativ" ausgegangen sein soll, habe es damals aber selbst wahrscheinlich nicht gesehen. Das Heeresgutachten, das übrigens noch kritischer ausfiel, habe ihn am 29. März erreicht.

Gutachten unter Verschluss

Laut Ermittlern telefonierte Kandlhofer an diesem Tag mit dem Oberalp-Chef, der daraufhin in einer internen E-Mail schrieb: "Nach dem Telefonat mit dem Generalsekretär des Verteidigungsministeriums: Das Gutachten (…) bleibt unter Verschluss." Warum? Dazu erklärte Kandlhofer, er habe Oberalp mitgeteilt, dass "das Gutachten von unserer Seite aus unter Verschluss bleibt, da wir nur als Dienstleister gearbeitet haben und eine Veröffentlichung von uns nicht vorgesehen und auch rechtlich nicht möglich ist".

Zu dem Zeitpunkt waren die Masken bereits auf dem Weg zu Südtiroler Gesundheitseinrichtungen, zudem plante das Rote Kreuz bei Oberalp den Einkauf für Österreich. Aus dem Ermittlungsakt ergibt sich nun, dass die Rotkreuz-Einkaufstochter mit Oberalp zwei Verträge für die Lieferung von Schutzmasken zum Gesamtkaufpreis von 36,6 Millionen Euro geschlossen hat.

Das Rote Kreuz war damals von der Republik beauftragt worden, Corona-Schutzmaterial zu besorgen. Zumindest vom kritischen Gutachten der Heeresprüfer soll das Rote Kreuz nach derzeitigem Ermittlungsstand damals aber nichts gewusst haben. Den Oberalp-Managern wirft die Justiz vor, die Organisation getäuscht und somit "schweren Betrug" begangen zu haben. Verschwiegen worden sei, dass Zertifikate gefehlt hätten, dass Testberichte gefälscht und vereinbarte Qualitätsstandards nicht eingehalten worden seien. Die Republik sei dadurch um mindestens 15,62 Millionen Euro geschädigt worden, heißt es im Ermittlungsakt.

Im Laufe der weiteren Erhebungen traten jedoch auch Verdachtsmomente gegen die Rotkreuz-Tochter zutage. Da geht es nicht um die Maskenlieferungen, sondern um den Einkauf von Schutzanzügen. Vertreter des Roten Kreuzes hätten gewusst, dass man die "aseptischen Schutzanzüge" von Oberalp in Österreich nicht in Umlauf hätte bringen dürfen, so der Vorwurf. Die Verantwortlichen der Republik seien darauf nicht hingewiesen worden. Der Schaden betrage rund 24 Millionen Euro.

Klage der Republik

Wegen beider Deals, also Masken und Schutzanzüge, hat die Finanzprokuratur als Anwältin der Republik Anzeige erstattet. Das Rote Kreuz erklärt auf Anfrage: "Die Beschaffungsmaßnahmen wurden dabei im Auftrag der Republik Österreich umfangreich geprüft und der ÖRK E&S dabei ein gutes Zeugnis ausgestellt. Ein Lieferant ist in Italien und Österreich Gegenstand von Ermittlungen. Dazu leisten wir unseren Beitrag im Rahmen des rechtsstaatlichen Verfahrens." Von Oberalp war keine Stellungnahme zu erhalten, für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 10.10.2023)