Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei seiner jüngsten Rede Anfang Oktober.
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei seiner jüngsten Rede Anfang Oktober. Israel war da aber nicht das Hauptthema.
AP/Hassan Ammar

Dass die palästinensische Hamas vom Iran massiv unterstützt wird, der auch die enge Vernetzung der Terrororganisation mit der libanesischen Hisbollah hergestellt hat: Das bestreiten nicht einmal die Beteiligten selbst. Die Aufrüstung der Hamas im Gazastreifen, die durch den fast ununterbrochenen Raketenbeschuss Israels seit Samstag eindrücklich demonstriert wurde, wäre ohne Lieferungen von außen gar nicht möglich.

Video: Iran weist Beteiligung an Hamas-Angriff auf Israel zurück
AFP

Neu ist das nicht: Man erinnere sich an die Luftangriffe Israels im Sudan, um die iranische Lieferkette nach Gaza über das Rote Meer zu unterbrechen. Das ist fast eineinhalb Jahrzehnte her. Der Strom an iranischen Waffen und Waffenteilen und Logistik hat nie aufgehört.

Eine andere Frage ist, welche Rolle Teheran beim jetzigen multiplen Hamas-Angriff auf Israel konkret spielte: Das Wall Street Journal will wissen, dass bei einem Treffen vor ein paar Tagen in Beirut der Hamas dafür das grüne Licht gegeben wurde. US-Außenminister Antony Blinken hielt sich auf eine Frage nach einer direkten Beteiligung des Iran jedoch bedeckt, man könne sie nicht bestätigen.

Islamisches Forum

Der Iran hat am Montag eine Sitzung der Organisation der Islamischen Zusammenarbeit (OIC) gefordert: Demnach hätte Teheran Interesse daran, dass die aktuelle Lage auf einer internationalen – wenngleich in diesem Fall nur islamischen – Ebene diskutiert wird. Zwar kann der Iran in diesem Forum mit Sicherheit erwarten, dass das Schicksal der Palästinenser als Erklärung für die Hamas-Eskalation nicht außer Acht gelassen wird. Unter anderem steht ja die "Befreiung der Heiligen Stätten" in Jerusalem in den Statuten der OIC von 1969 (nach dem Sechstagekrieg). Aber in der OIC sitzen auch Staaten, denen die Hamas ganz und gar nicht sympathisch ist. Ihr Sitz ist in Jeddah in Saudi-Arabien – dessen Kronprinz vor kurzem in einem Interview sagte, dass die Normalisierung mit Israel auf dem Weg sei.

Die islamische Hamas wurde 1987 nach Ausbruch der ersten Palästinenser-Intifada im Gazastreifen gegründet: Sie wurde damals teilweise von außen sogar als willkommene Konkurrenz für die säkulare PLO und ihre Fatah-Partei gesehen. Ideologisch war sie den Muslimbrüdern zuzurechnen, plus nationalistische palästinensische Agenda.

Monopolisierung

Der Islamischen Republik Iran gelang es in den 1990er-Jahren während des israelisch-palästinensischen Oslo-Friedensprozesses, den die Hamas ablehnte, die Palästinenserfrage immer mehr zu monopolisieren. Mit der Irak-Invasion fiel 2003 auch noch der langjährige Schutzherr der radikalen Palästinenser, Saddam Hussein, weg, der trotz des Elends seiner eigenen Bevölkerung nach dem verlorenen Golfkrieg 1991 weiter Hilfsgüter und Gelder nach "Palästina" schickte.

Ab 2020 brachen dann noch jene Staaten weg, die sich den Abraham-Abkommen mit Israel anschlossen: die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Marokko, dessen König immerhin den Titel "Prinz der Gläubigen" trägt. Und Saudi-Arabien, Heimat von Mekka und Medina, war in der Warteschleife für Frieden mit Israel. Die Agenda, diese Entwicklung zu torpedieren, teilt der Iran mit der Hamas, genauso wie mit der Palästinenserführung im Westjordanland, die sich ebenfalls zunehmend verraten fühlt.

Kreation Teherans

Noch viel mehr ein Kind des Iran ist die schiitische Miliz-plus-Partei Hisbollah. Anders als bei der Hamas stufen viele Staaten nur den militärischen Zweig als Terrororganisation ein. Die Hisbollah war eine iranische Gründung während der Libanon-Intervention Israels 1982.

Das Ende der israelischen Präsenz im Südlibanon erst im Jahr 2000 geriet zu einer Stunde des Triumphs der Hisbollah: Der Abzug der Israelis erfolgte relativ chaotisch. Im von der Hisbollah losgetretenen Libanon-Krieg 2006 versuchte Israel deren Kapazitäten zurückzustutzen. Aber der nächste Aufschwung kam ab 2011, mit dem vom Iran verlangten Eintritt der Hisbollah in den Syrien-Krieg auf der Seite Bashar al-Assads.

Der lange Konflikt bescherte ihr nicht nur einen enormen Zufluss an Rüstungsgütern, vor allem Raketen – die Israel mit Luftangriffen in Syrien immer wieder zu reduzieren versucht. Aus der Truppe, die ihre Katjuschas von Eselskarren abschoss, wurden erfahrene und gut ausgerüstete Paramilitärs.

Dass die Hisbollah im Norden mit ihren Raketen eine zweite Front gegen Israel eröffnet, ist ein Albtraum mit realem Hintergrund. Einen Schlagabtausch gab es schon, am Montag wurden laut Meldungen aus Israel zudem Infiltrationen aus dem Libanon verhindert. (Gudrun Harrer, 10.10.2023)