Die Suche nach Überlebenden in der Region Herat nach der Erdbebenserie geht auch am Dienstag weiter.
Die Suche nach Überlebenden in der Region Herat nach der Erdbebenserie geht auch am Dienstag weiter.
AP/Ebrahim Noroozi

Nach einer Serie von sieben Erdbeben im Nordwesten Afghanistans haben die Rettungskräfte am Dienstag weiter nach möglichen Überlebenden gesucht. Die Chancen seien derzeit aber gering, berichtet Reuters. Ein Sprecher des Notfallministeriums berichtete von "einer sehr schlimmen Lage" in der betroffenen Region im Westen des Landes. Zudem wurden die mehr als 2.000 Todesopfer der Katastrophe weiter beigesetzt, viele von ihnen in Massengräbern. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind die meisten Opfer Frauen und Kinder, da sie zum Zeitpunkt des Bebens zu Hause waren.

Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner versuchten zusammen mit Helfern noch immer verzweifelt, "ihre Angehörigen aus den Trümmern zu holen", berichtete am Montagabend der Sprecher des afghanischen Notfallministeriums, Dschanan Sajek. "Wir können weiter keine exakten Zahlen zu den Toten und Verletzten nennen, weil diese schwanken." Am Sonntag hatte das Ministerium von 2.054 Todesopfern gesprochen.

Traditionelle Bauweise als Risikofaktor

Die westliche Provinz Herat wurde am Samstag von einem Erdbeben der Stärke 6,3 und mehreren Nachbeben erschüttert. Das Erdbebengebiet ist dünn besiedelt, aber die Verwüstungen sind wegen der traditionell aus Lehm gebauten Häuser groß. Die Gebäude stürzten durch die Erschütterungen ein. Den Menschen im am schwersten betroffenen Distrikt Sindadschan bleiben nur die Trümmer ihrer alten Häuser. Nach Uno-Angaben wurden mindestens elf Dörfer "zu 100 Prozent" zerstört. Inzwischen sind erste Hilfstransporte eingetroffen, aus dem Ausland kamen Unterstützungsangebote.

Das gebirgige Afghanistan wurde in der Vergangenheit immer wieder von schweren Erdbeben heimgesucht, viele davon in der zerklüfteten Hindukusch-Region an der Grenze zu Pakistan. Am Montag halfen zahlreiche Freiwillige, Verschüttete zu bergen und obdachlose Dorfbewohner zu versorgen. Viele Helfer brachten auch Schaufeln mit, um in den zerstörten Dörfern nach Verschütteten zu suchen. Zwei Tage nach der Katastrophe schwand jedoch die Hoffnung, noch Überlebende zu finden. Ganze Dörfer wurden zerstört.

Von einigen Dörfern der Herat-Region bleiben nur Trümmer.
Von einigen Dörfern der Herat-Region bleiben nur Trümmer.
AFP/MOHSEN KARIMI

Taliban besuchen Erdbebenregion

Die Taliban versprachen den Opfern einen Wiederaufbau. Dies kündigte der stellvertretende Regierungschef Abdul Ghani Baradar bei seinem Besuch in den Katastrophengebieten an, wie das Gouverneursbüro in der Provinzhauptstadt Herat am Dienstag mitteilte. Baradar rief seine Regierung dazu auf, Spenden an die Erdbebenopfer zu verteilen. Afghanistan leidet seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 unter einer Wirtschaftskrise und ist wegen der repressiven Politik international isoliert.

Eingeschränkte Hilfe seit Machtübernahme

Die Hilfs- und Rettungsmaßnahmen wurden anfangs durch die durch den jahrzehntelangen Krieg zerstörte Infrastruktur und den Mangel an ausländischer Hilfe behindert. Das afghanische Gesundheitssystem, das weitgehend von ausländischer Hilfe abhängt, hat in den zwei Jahren seit der Machtübernahme der Taliban und der Einstellung der internationalen Hilfe erhebliche Einschnitte hinnehmen müssen.

Neben medizinischer Hilfe und Nahrungsmitteln benötigen die Überlebenden angesichts der sinkenden Temperaturen dringend Unterkünfte, so der Leiter der Nothilfe der Weltgesundheitsorganisation.

EU hilft mit 3,5 Millionen Euro 

Die EU will 3,5 Millionen Euro humanitäre Hilfe für die Erdbebenopfer in Afghanistan bereitstellen. Damit sollen zunächst die dringendsten Bedürfnisse der Bevölkerung gedeckt werden, wie die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel mitteilte. 2,5 Millionen Euro gingen dabei direkt an humanitäre Partner, die vor Ort Hilfsmaßnahmen durchführten. Darüber hinaus bietet die EU Sachleistungen im Wert von einer Million Euro an. Unterkunftspakete, Winterzelte, Hygienepakete und andere Hilfsgüter stünden den humanitären Partnern je nach Bedarf vor Ort zur Verfügung und könnten per Luftbrücke organisiert werden. Diese neue Hilfe komme zu den 89 Millionen Euro an humanitärer Hilfe hinzu, die bereits im Jahr 2023 für humanitäre Organisationen im Land bereitgestellt worden sei, hieß es seitens der EU.

Das Amt für humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen hat Hilfe im Wert von fünf Millionen Dollar für die Bewältigung des Bebens angekündigt, doch die unmittelbare materielle Unterstützung kam nur aus wenigen Ländern. Deutschland hat nach den schweren Erdbeben im Westen Afghanistans zusätzliche Hilfsgelder in Höhe von fünf Millionen Euro angekündigt. "Die Berichte aus Afghanistan sind schockierend", erklärte das Auswärtige Amt im Onlinedienst X, ehemals Twitter. "Wir lassen die Überlebenden nicht allein." (red, 10.10.2023)