Die aktuellen Ereignisse rund um die beliebte Videospiel-Engine Unity eine Kontroverse zu nennen wäre eine maßlose Untertreibung. Die Ankündigung einer neuen Preispolitik im Lizenzmodell des Unternehmens sorgte für einen regelrechten Aufstand unter Entwicklerstudios, die um ihre wirtschaftliche Existenz fürchteten. Nach anhaltender Kritik nimmt nun der Unity-CEO John Riccitiello seinen Hut.

Das Lizenzdebakel

Es sei ein Privileg gewesen, Unity fast ein Jahrzehnt lang zu leiten, wird Riccitiello in einer Presseaussendung des Unternehmens vom Montagabend zitiert. Die Kritik am Preismodell oder die Auseinandersetzungen mit Entwicklerstudios blieben unerwähnt. Im Gegenteil wird der nunmehrige Ex-CEO dafür gelobt, dass er das Lizenzmodell von Unity auf ein Abomodell umgestellt hat. Genau darin liegt ein Großteil der Kritik der vergangenen Monate begründet. Im September hatte Unity eine Änderung der Lizenzbedingungen angekündigt.

So sollten Entwicklerstudios für jede Installation eines Spiels, das auf der Unity-Engine beruht, Gebühren entrichten. Die Rede war von 20 Cent pro Installation – und das rückwirkend. Der Aufschrei war enorm: Entwicklerstudios fürchteten um ihre Existenz, schließlich sei es nicht ungewöhnlich´, ein Spiel mehrmals zu installieren oder wieder zu löschen. Mehr noch: Die von Unity angedachte Gebühr hätte Missbrauch begünstigt. Die Befürchtung: Die traditionell kritische Spielerschaft könnte Entwicklerstudios mittels "Install Bombing" in den Ruin treiben, indem sie das Spiel einfach immer wieder löscht und neu installiert.

Unity-CEO John Riccitiello räumt nach massiver Kritik seinen Posten.
Unity Technologies via AP

Ein Aspekt, den man bei Unity offenbar nicht bedacht hatte, jedenfalls ruderte das kalifornische Unternehmen kurz darauf zurück und änderte das Gebührenmodell. Die 20 Cent seien nur einmal pro Gerät fällig – wie das überprüft werden sollte, blieb offen. Bei Spielen, die über Abos wie den Game Pass bezogen werden, hätten die Anbieter wie Microsoft die Gebühr übernehmen sollen. Das wiederum brachte die Gamer auf die Palme. Sie befürchteten, die Kosten würden an sie weitergereicht werden. Da war der Schaden angerichtet, und auch eine weitere Entschärfung der Bedingungen vermochte die Wogen kaum noch zu glätten. Auch ein Versuch, sich bei den aufgebrachten Entwicklerinnen und Entwicklern zu entschuldigen, blieb ungehört.

"Größte verdammte Idioten"

Das alles geschah unter der Leitung von John Riccitiello. Der 65-Jährige ist in der Branche für seine streitbaren Aussagen bekannt. Im Sommer 2022 beschimpfte Riccitiello die Entwicklerinnen und Entwickler von Videospielen in einem Interview als "die größten verdammten Idioten".

Unity hatte unter der Leitung des CEOs damals die Softwarefirma Ironsource übernommen. Dieses Unternehmen stellt Software für die Monetarisierung in Apps her. Ein Thema, das bei den meisten Games-Entwicklern traditionell auf Skepsis stößt. Das traf insbesondere auf Ironsource zu, dessen Software als Malware gilt. So stammt etwa Installcore von Ironsource. Diese Browsererweiterung zeigt ungewollte Werbung an und lässt sich nur schwer wieder entfernen. Damals fiel der Aktienkurs von Unity um rund 25 Prozent. Unity hatte sich damals eine bessere Monetarisierung von Spielen erhofft.

Riccitiello kommt ursprünglich nicht aus der Gaming-Branche. Er war unter anderem für Pepsi und den Eishersteller Häagen-Dazs tätig, bevor er 1997 Chief Operating Officer bei Electronic Arts wurde. Diesen Posten verließ Riccitiello 2004, um den Finanzinvestor Elevation Partners mitzugründen. Als sein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, wechselte Riccitiello 2007 zurück zu EA, diesmal als CEO und Nachfolger des langjährigen Geschäftsführer Larry Probst. 2013 musste er dieses Amt aber niederlegen, nachdem EA die gesetzten Umsatzziele nicht erreicht hatte. Daraufhin wechselte Riccitiello zu Unity Technologies, das er bis 9. Oktober 2023 leitete.

Riccitiello werde noch im Unternehmen bleiben, um eine saubere Übergabe zu ermöglichen, hieß es. Als interimistischer Geschäftsführer übernimmt Jim Whitehurst die Position, bis ein dauerhafter Ersatz für Riccitiello gefunden ist. (pez, 10.10.2023)