Robert Motherwell
In seiner berühmten Werkgruppe "Elegies to the Spanish Republic" beschäftigte sich der Künstler mit den Verbrechen des Spanischen Bürgerkriegs. Insgesamt schuf er 150 Bilder zu dem Thema.
Dedalus Foundation

Ideal wäre es, mit einem Röntgenblick durch diese Ausstellung zu spazieren. Worauf würde man wohl stoßen, wenn man die großformatigen Gemälde von Robert Motherwell durchleuchten könnte? Unzählige Schichten an Farbe, verdeckte Formen und diverse Schwarztöne kämen zum Vorschein. Der Künstler selbst sagte einmal, dass nur so Verbrechen ans Licht kämen.

Der US-amerikanische Maler, der zu den bedeutenden Vertretern des Abstrakten Expressionismus zählt, konnte es nicht lassen, seine Werke immer wieder zu übermalen. Selbst auf bereits öffentlich ausgestellten Leinwänden trug er teils Jahre später nachträglich Farbe auf und veränderte sie erneut.

Motherwell stellte sein eigenes Schaffen andauernd infrage und zweifelte daran. So nahe wie möglich wollte der Künstler, der auch als intellektuelles Pendant zu Jackson Pollock bezeichnet wird und sich für Literatur, insbesondere James Joyce begeisterte, mit seiner Abstraktion dem Ausdruck von Gefühlen kommen. Motherwell wollte möglichst pure Malerei schaffen.

Gewalt und Herzschmerz

Mit der Retrospektive Pure Paintings präsentiert das Bank-Austria-Kunstforum Wien ab Donnerstag den 1915 in den USA geborenen Künstler – es ist die erste Personale seit 1998 in Europa. Die mit rund 40 Werken ausgestattete Schau wurde in Kooperation mit dem Modern Art Museum of Fort Worth in Texas organisiert. Die Leihgaben stammen aus zahlreichen Sammlungen und Museen aus der ganzen Welt – unter anderem aus dem Guggenheim, dem MoMA in New York, dem Museo Reina Sofia in Madrid – sowie ein Gemälde aus dem Wiener Mumok.

Dieses gehört zu einer der wichtigsten Werkgruppen Motherwells, die er ab dem Jahr 1948 begonnen und bis zu seinem Tod 1991 mit 150 Werken fortgesetzt hatte. In Elegies to the Spanish Republic beschäftigte sich der Künstler intensiv mit dem Spanischen Bürgerkrieg und prangerte so metaphorisch Unrecht aller Art, Gewalt und Menschenrechtsverbrechen an.

Robert Motherwell
Mit seinen fahrigen und grellen "Je t'aime"-Bildern verarbeitete Robert Motherwell die Trennung von seiner zweiten Ehefrau.
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Dominiert werden die mehrere Meter langen Leinwände – manche konnten aufgrund ihrer Dimensionen nicht nach Wien verschickt werden – von aneinandergereihten schwarzen Balken und Ovalen, die nur ab und zu von farbigen Einsprengseln unterbrochen werden. Einen konkreten Bezug zu Spanien hatte Motherwell jedoch nicht. Erstmals besuchte er das Land 1958, als er mit seiner dritten Ehefrau, der bekannten Künstlerin Helen Frankenthaler, auf Hochzeitsreise war.

Richtiges Timing

Persönliche Befindlichkeiten verarbeitete der Maler zum Teil in seinen frühen Werken, als er sich bestimmt von der Gegenständlichkeit der 40er-Jahre verabschiedete und zunehmend zu seiner abstrakten Sprache fand. Über unruhigen und fleckigen Flächen in fast grellen Farben schrieb er mehrmals "Je t'aime". Mit dieser fast bedrohlich wirkenden Liebeserklärung verarbeitete er die Trennung von seiner zweiten Frau, ein Jahr später heiratete er Frankenthaler.

Motherwell, der Literatur und Philosophie an Stanford und Harvard und dann Kunst an der Columbia University studierte, kam zum richtigen Zeitpunkt nach New York, als die Stadt vibrierender Hotspot europäischer Surrealisten wie Marcel Duchamp oder Max Ernst und junger amerikanischer Kunstschaffender war, darunter Jackson Pollock, Willem de Kooning oder Mark Rothko, mit dem Motherwell eng befreundet war.

Robert Motherwell
Der US-amerikanische Künstler wurde 1915 geboren und arbeitete bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1991.
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Durch den Austausch lernten sie die surrealistische Technik des Automatismus kennen. Das freie und gestische Arbeiten wurde schließlich zum zentralen Element des Abstrakten Expressionismus.

Rundgang als Testament

Mit einigen seiner Kollegen prägte Motherwell 1951 den Begriff der "New York School". Seine erste Einzelausstellung hatte er in der Museumsgalerie Art of This Century der bedeutenden Mäzenin Peggy Guggenheim. 1965 widmete ihm das Museum of Modern Art in New York mit nur 50 Jahren eine Retrospektive. Obwohl sich der Künstler geehrt fühlte, in dieser Institution gezeigt zu werden, war er nicht zufrieden. "Eine Retrospektive zu bekommen ist so, als würde man sein Testament machen", klagte er.

Die chronologisch aufgebaute Ausstellung im Kunstforum führt nun unaufgeregt durch das reiche Schaffen des Künstlers, einen bestimmten Fokus gibt es dabei nicht. Zum Ende hin finden sich in den späten 80er-Jahren teilweise wieder verstärkte Tendenzen zu gegenständlichen Formen.

Was sich unter der pastosen, schwarzen Farbschicht des monumentalen Bildes Mexican Past verbirgt, das Motherwell mehrmals überarbeitete und nur wenige Monate vor seinem Tod fertiggestellte, bleibt weiter verborgen. (Katharina Rustler, 11.10.2023)