"Tal ist am Leben", ist sein Vater Gilad Korngold überzeugt. Denn diese Hoffnung ist das Einzige, was ihm noch bleibt. Seit Samstagmorgen gibt es zu dem 38-jährigen israelisch-österreichischen Doppelstaatsbürger Tal Shoham keinen Kontakt. Terroristen aus Gaza, die den Kibbuz Beeri überfielen, mindestens 120 seiner Bewohner erschossen und Häuser niederbrannten, haben Tal nach Gaza verschleppt, glaubt Korngold. Er hat starke Hinweise.

Shoham gilt als einer jener drei vermissten Österreicher, von denen das Außenministerium vermutet, dass sie derzeit in Gaza als Geiseln gehalten werden. Bei den anderen zwei Vermissten soll es sich wie bei Tal Shoham um israelisch-österreichische Doppelstaatsbürger handeln. Der Gazastreifen steht derzeit unter heftigem Beschuss, seit die Hamas Israel überfallen und damit den Krieg ausgelöst hat. Unter den laut unbestätigten Schätzungen rund hundert Geiseln, die von Israel in den Gazastreifen verschleppt wurden, befinden sich auch Kleinkinder, Babys, Menschen mit dringendem medizinischem Bedarf und Hochbetagte.

"Wir sind extrem nervös", sagt Tals Vater im STANDARD-Gespräch. Sein letzter Kontakt mit Tal war Samstagmorgen. Israels Süden stand unter heftigem Raketenbeschuss durch die Hamas, und wer konnte, blieb im Luftschutzraum. Auch Tal war mit seiner Familie im Schutzraum des Hauses im Kibbuz, als Gilad das letzte Mal mit ihm sprach. "Er sagte, er stemme sich gegen die Tür des Schutzraums, um Eindringlinge abzuhalten – da verstand ich, es müssen Terroristen sein." Dann riss der Kontakt ab.

Zeugen sahen Entführung

Korngold, dessen Mutter von den Nazis Ende der Dreißigerjahre aus Wien vertrieben wurde, bangt nicht nur um seinen Sohn. Auch von Schwiegertochter Adi und den zwei Enkelkindern, dem achtjährigen Nave und der dreijährigen Yael, fehlt jede Spur. Laut einem Augenzeugen soll Tal von der Familie getrennt und von den Terroristen gefesselt, in den Kofferraum eines Wagens gezerrt und nach Gaza gebracht worden sein. Tals Frau und Kinder wurden entweder separat nach Gaza verschleppt – "oder sie wurden so wie viele andere im Kibbuz ermordet", sagt Gilad. "So traurig es ist – es gibt nur diese zwei Möglichkeiten."

Tal Shoham und seine Tochter
Tal Shoham und seine Tochter auf einem privaten Bild.
privat

Der Augenzeuge der Entführung habe sich im selben Wagen wie Tal befunden, erzählt Gilad. In einem Moment, als die Terroristen abgelenkt waren, weil sie einen Panzer der israelischen Armee beschossen, soll er sich aus dem Auto befreit haben. Er konnte zurück nach Israel flüchten. Die Personenbeschreibung des Zeugen "passt perfekt auf Tal", sagt Gilad. Ein Bekannter der Familie glaubt zudem, Tal auf einem Video identifiziert zu haben.

Hoffen auf den österreichischen Staat

Tals Vater setzt nun alle Hoffnung in den österreichischen Staat. "Ihr habt nur drei Geiseln dort, das ist nicht viel – holt sie da raus!" Österreich sei neutral, könne anders als Israel mit arabischen Staaten verhandeln. "Ihr könnt es schaffen", glaubt Gilad. Seine Kontakte mit der österreichischen Botschaft in Tel Aviv haben ihn bestärkt. "Ich wünschte, überall auf der Welt würden die Dinge so gut funktionieren wie in Österreich", schwärmt er. Die Botschaft habe nicht nur schnell, sondern auch äußerst hilfsbereit agiert.

Seinen Sohn Tal beschreibt Gilad als "extrem entspannten, nie zornigen Menschen". Er wünscht sich nichts mehr, als die Familie wieder vereint zu sehen. Von Israels Regierung, der er kritisch gegenübersteht, erwarte er sich diesbezüglich "rein gar nichts". Seine einzige Hoffnung ist, dass der Staat Österreich, dessen Bürger er ist, ihm hilft. (Maria Sterkl, 10.10.2023)