Zwei Grasfroschpaare in einem Teich an der Wasseroberfläche, die Männchen sitzen auf den Weibchen.
Grasfrösche (Rana temporaria) bei der Paarung. Nicht immer freut sich das Weibchen, begattet zu werden.
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Wenn sich ein Raubtier nähert, stellen sich potenzielle Beutetiere oft tot, um nicht angegriffen zu werden. Eine Strategie, die etwa bei der unerwarteten Begegnung mit Bären nützlich sein kann. Ähnlich gehen manche Weibchen in einer anderen Situation vor, nämlich dann, wenn sie sich eines sexwilligen Männchens entledigen wollen. Das zeigt ein Forschungsduo des Museums für Naturkunde Berlin anhand von Grasfröschen: Die Froschweibchen stellen sich mitunter tot, indem sie Vorder- und Hinterbeine steif ausstrecken und sich nicht mehr rühren, bis die Männchen sie in Ruhe lassen.

Männchen imitieren

Die bedrängten Tiere nutzen daneben auch andere Strategien, um die Paarung zu vermeiden, wie Carolin Dittrich und Mark-Oliver Rödel im Fachjournal "Royal Society Open Science" schreiben. Am häufigsten drehen sie sich um die eigene Körperachse, rotierten sich also heraus. Außerdem taten manche von ihnen ihre Unwilligkeit laut kund, etwa indem sie typische Rufe von Männchen imitierten. Dabei handelt es sich um einen tiefen Grunzlaut, der üblicherweise von Männchen geäußert wird und so viel wie "Loslassen!" bedeutet.

Ein weiterer Ruf, den die Forschenden beschreiben, ist ein höherfrequenter Quietschlaut. Hier sei allerdings nicht sicher, was er genau bedeute. "Mit dem Rufen können die Weibchen zeigen, dass sie nicht paarungsbereit sind", wird Rödel in einer Aussendung des Berliner Naturkundemuseums zitiert, "und wenn dies nichts nützt, können gestresste Weibchen in tonische Immobilität verfallen."

Bei den in Europa weitverbreiteten Grasfröschen beschränkt sich das Brutgeschehen auf wenige Tage bis zwei Wochen im Frühjahr, in Zentraleuropa meist Mitte bis Ende März. Dabei versammeln sich massenhaft Tiere am Teich, wobei Männchen in der großen Überzahl sind und um die selteneren Weibchen konkurrieren. "Die Männchen sind nicht wählerisch und umklammern mit großer Kraft alles, was sich bewegt", heißt es in der Aussendung des Berliner Naturkundemuseums.

Tödliche Konkurrenz

Bisher habe man angenommen, dass sich die Weibchen "nicht gegen die Nötigung durch die Männchen wehren können". Manchmal klammerten sich viele Männchen an ein Weibchen. Fachleute sprechen hierbei von einem "Paarungsball", der für Weibchen häufig tödlich ende. Dass damit der Fortpflanzungserfolg sinkt und noch weniger Weibchen Froscheier produzieren können, liegt auf der Hand.

Grasfrosch Rana temporaria schaut zwischen Froschlaich aus dem Teich hervor.
Ist die Paarung geglückt, entsteht Froschlaich, aus dem hunderte Kaulquappen schlüpfen. Meist entwickeln sich nur einige Dutzend zu Fröschen weiter, viele werden von Räubern gefressen.
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Die beobachteten Taktiken zeigten, dass die Weibchen in diesen Situationen nicht ganz so hilflos seien wie bisher oft gedacht – beziehungsweise dass sie die Regungslosigkeit wohl mit dem Ziel nutzen, Männchen abzuwehren. Das Totstellen könne gestressten Weibchen vermutlich dabei helfen, sich vor einem womöglich tödlichen Paarungsball zu schützen. Das Wegdrehen könne allerdings auch ein Versuch sein, die Stärke und Ausdauer von Partnern zu testen, berichten die Fachleute in der Studie. Auffällig war außerdem: Kleine Weibchen nutzten alle drei Strategien laut der Studie häufiger als größere Artgenossinnen und hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit zu entkommen.

Das Totstellen im Zusammenhang mit der Paarung wertete Dittrich in einer Mitteilung als "außergewöhnlich". In der Literatur wurde ein solches Verhalten nur für wenige Arten beschrieben, darunter nur eine andere Amphibienart. "Gemeinhin geht man davon aus, dass diese Strategie als Letztes zur Anwendung kommt, um nicht von Raubtieren gefressen zu werden." Interessanterweise gibt es bei anderen Spezies ebenfalls beeindruckende Verhaltensweisen, um nicht von Männchen bedrängt zu werden. So stellte ein Forschungsteam vor zwei Jahren fest, dass sich offenbar Kolibri-Weibchen zu diesem Zweck als Männchen tarnen, in ihrem Federkleid also dem anderen Geschlecht ähneln. (red, APA, 11.10.2023)