Wasserhahn
Österreich ist hinsichtlich seiner Wasserversorgung ein gesegnetes Land. Doch auch hierzulande macht sich der Klimawandel mit Hitze und Trockenheit bemerkbar.
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Alles begann damit, dass die Kärntner Gemeinde Neuhaus im Bezirk Völkermarkt gemeinsam mit dem Land und einer Tochter des Energieversorgers Kelag ein Digitalisierungsprojekt durchführte. In dessen Rahmen wurden unter anderem die bestehenden Wasserzähler in den einzelnen Haushalten gegen moderne Smart Meter ausgetauscht und zu einem Funknetzwerk verbunden. Damit war erstmals eine Fernauslese der einzelnen Wasserzähler möglich. Außerdem kann nun der Wasserstand der drei Hochbehälter, die zur Trinkwasserversorgung der Gemeinde dienen, kabellos überwacht werden. Das Projekt wurde mit dem A1 Kommunal Digital Award ausgezeichnet.

Die damit verbundene Aufmerksamkeit blieb auch Heimo Hirner nicht verborgen. Der Leiter des Vienna Institute for Safety and Systems Engineering an der Fachhochschule Campus Wien erkannte die weiteren Möglichkeiten, die dieses Projekt bot: "Mir war klar, dass man aus dieser neuen Infrastruktur noch mehr herausholen kann, als lediglich die Wasserzähler per Funk abzulesen." Deshalb nahm Hirner Kontakt mit dem Neuhauser Bürgermeister auf, und schon bald einigte man sich auf ein gemeinsames Projekt, das ein umfassendes Monitoringsystem für die Wasserversorgung von Neuhaus zum Ziel hatte.

Folgen von Hitze und Dürre

Hintergrund ist eine Konsequenz des Klimawandels: Gemeinden sehen sich immer öfter mit niedrigen Wasserständen ihrer Trinkwasserspeicher konfrontiert. Gleichzeitig steigt der Wasserbedarf aufgrund der hohen Temperaturen. Ein Monitoringsystem adressiert dieses Problem. Einerseits gibt es einen präzisen Überblick über den tatsächlichen Wasserverbrauch und erlaubt dadurch, künftige Verbräuche zu prognostizieren. So kann der Bürgermeister bei Trockenperioden per Erlass den Wasserverbrauch beschränken und etwa Poolbefüllungen oder Autowäschen untersagen.

Andererseits hilft es dabei, Wasserschwund frühzeitig zu identifizieren. Eine Ursache für Schwund sind typischerweise alte, schadhafte Rohrleitungen. Kleine Gemeinden sind meist finanziell nicht dazu in der Lage, ihre komplette Infrastruktur zu erneuern. Stattdessen beschränken sie sich darauf, Schäden zu beheben, sobald diese auftreten. Ist die Leckage aber klein, wird sie oft nicht entdeckt, und so verlieren Gemeinden permanent Wasser, ohne es zu bemerken. Je früher ein Rohrbruch oder eine andere Ursache für Schwund entdeckt wird, desto geringer ist der Wasserverlust.

Automatische Messung

Das Prinzip ist sehr simpel. Das System misst, wie viel Wasser aus den Quellwasserspeichern zu den Verbrauchern fließt. Es misst außerdem den Verbrauch in den Haushalten anhand der Daten der Wasserzähler, die Standardmäßig im Dreistundentakt erfasst werden. Was aus den Speichern fließt, muss im Normalfall identisch mit der Summe der Einzelverbräuche sein. Eine Abweichung weist auf ein Problem in der Infrastruktur hin.

Zusätzlich können Probleme innerhalb einzelner Haushalte erkannt werden. Fährt beispielsweise jemand zwei Wochen auf Urlaub und vergisst, den Wasserhahn zuzudrehen, wird das System das aufgrund des ungewöhnlichen Verbrauchsmusters sehr bald erkennen. In so einem Fall schickt es automatisch eine Alarmmeldung an die zuständigen Gemeindebediensteten, den Bürgermeister und die freiwillige Feuerwehr.

Eine Herausforderung war es zu entscheiden, was als Alarmsituation definiert wird. "Die Gemeinde wollte eine Lösung, die ihren Mitarbeitern Arbeit abnimmt", erklärt Hirner. "Insbesondere soll nicht jede Abweichung einen Alarm auslösen, sondern nur besonders deutliche Anomalien." Wenn zum Beispiel jemand in ein zuvor leerstehendes Haus einzieht, ist klar, dass der Wasserverbrauch deutlich steigen wird. Das soll dann nicht als Alarmsituation gewertet werden.

Gefinkeltes System

Auch bei vorübergehendem Ausfall des Funkkontakts zu einzelnen Zählern soll nicht sofort alarmiert werden – sehr wohl aber, wenn der Zähler selbst schadhaft ist. Praktisch wurde das mittels gleitender Durchschnitte gelöst: Aus einer fix vorgegebenen Anzahl von zurückliegenden Tagen, zum Beispiel die jeweils letzten 30 Tage, wird täglich ein neuer, aktueller Durchschnittswert berechnet. Anhand der Kurve dieser Durchschnittswerte kann man Ausreißer erkennen, geringere Abweichungen werden von der Berechnung geglättet. Das Potenzial ist damit jedoch noch nicht ausgeschöpft, betont Hirner. Künftig sollen auch Daten aus Wetterstationen genutzt werden, um den Wasserbedarf zu prognostizieren.

Das Projekt wurde ohne öffentliche Förderung von Studierenden im Rahmen des Masterstudiengangs Software Design and Engineering umgesetzt. Im ersten Studienjahr erfolgte die Softwareentwicklung, im zweiten die Implementierung in Neuhaus. Aktuell sind rund 350 Wasserzähler an das System angeschlossen. Es basiert auf der freien Software Apache Kafka und kann leicht hochskaliert werden. "Smart Cities sind ein Riesenthema", meint Hirner. "Für Dörfer und Gemeinden, die sehr beschränkte Ressourcen haben, gibt es aber noch wenige geeignete Lösungen." (Raimund Lang, 17.10.2023)