Natalie Harsdorf-Borsch im Gespräch.
Natalie Harsdorf-Borsch wird nun wirklich Chefin der Wettbewerbsbehörde.
Christian Fischer

Ganz glauben wird es Natalie Harsdorf-Borsch wohl erst, wenn sie demnächst bei ihrer Angelobung vor dem Bundespräsidenten steht. Nach einer mehr als einjährigen Blockade, Gutachten, Gegengutachten und einem schier endlosen Koalitionsstreit soll die Juristin nun doch die erste Frau an der Spitze der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) werden.

Als logische Nachfolgerin galt sie freilich schon lange. Harsdorf-Borsch ist 38 Jahre jung, in der Behörde aber schon jetzt ein Urgestein. Nach einem Jusstudium in Wien, Dublin und Brügge begann sie ihre berufliche Karriere 2009 bei der BWB. Sie war Referentin, leitete später die Rechtsabteilung und wurde 2014 zur stellvertretenden Geschäftsstellenleiterin befördert. 2021 stieg Harsdorf-Borsch zur stellvertretenden Generaldirektorin auf. Nach dem Rücktritt von Theodor Thanner übernahm sie im Dezember 2021 interimistisch die Leitung der Behörde.

Doch aus der logischen Nachfolgerin wurde nach Ende der Bewerbungsfrist Mitte 2022 schlagartig die Verfolgerin: In einem umstrittenen Auswahlverfahren reihte eine Personalkommission den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts, Michael Sachs, an die erste Stelle. Harsdorf-Borsch belegte Platz zwei – mit einem Punkt Rückstand.

Streit über Nachbesetzung

In der türkis-grünen Regierungskoalition entbrannte ein Streit. Die Grünen lehnten Sachs, einen ehemaligen ÖVP-Kabinettschef, aufgrund seiner Parteinähe ab und zweifelten an seiner fachlichen Qualifikation. Die ÖVP blockierte im Gegenzug die Nachbesetzung der Präsidentenstelle am Bundesverwaltungsgericht. Erst jetzt, nach mehr als einem Jahr, scheint die Blockade endlich gelöst zu sein.

Mit Harsdorf-Borsch übernimmt eine ausgewiesene Kartellrechtsexpertin die Spitze der Behörde. In den letzten Jahren machte sich die verheiratete Juristin, die in ihrer Freizeit gerne Sport macht, vor allem im Verfahren gegen das Baukartell einen Namen. Anwältinnen und Anwälte beschreiben sie als international gut vernetzt und politisch schwer zuordenbar. Sie sei streng, gleichzeitig aber eine verlässliche und kompetente Ansprechperson.

Auf den Beschluss, mit dem sie als ewige Nachfolgerin zur designierten Chefin gekrönt wurde, reagierte Harsdorf-Borsch zurückhaltend. Sie freue sich und sehe die Entscheidung als "Auszeichnung". Nachsatz: "Wenn mich der Bundespräsident ernennt." (Jakob Pflügl, 11.10.2023)