Der größte Deal des Jahres findet heuer voraussichtlich in der US-Ölbranche statt. Exxon Mobil macht 59,5 Milliarden Dollar für den Mitbewerber Pioneer Natural Resources locker. Das ist die zweitgrößte Übernahme in der langen Firmengeschichte, seit Exxon Ende der 1990er-Jahre um 81 Milliarden Dollar mit Mobil verschmolzen wurde. Aber wieso investiert der Ölmulti trotz des Klimawandels weiterhin so viel Kapital in einen anderen auf fossile Brennstoffe spezialisierten Produzenten wie Pioneer?

Ein Ölförderturm im US-Schieferölgebiet Permian-Becken.
Mehrere Rohstoffanalysten haben heuer einen neuen Superzyklus für Öl und Gas ausgerufen, der die Preisniveaus nach oben treibt. Dafür bringt sich Exxon Mobil offenbar in Stellung.
AFP/PAUL RATJE

Es sind wohl die Ertragsaussichten, die das Management um Konzernchef Darren Woods zu diesem Schritt bewogen haben. Denn während sich weite Teile der Welt vom Verbrennen fossiler Brennstoffe schrittweise abkehren und in erneuerbare Energieträger investieren, dürfte die Öl- und Gasbranche auf eine äußerst profitable Zukunft blicken.

Investment für Superzyklus

Das sehen zumindest die US-Investmentbanken Goldman Sachs und JPMorgan so, die jeweils einen "Superzyklus" für die Ölbranche ausgerufen haben. Also einen langfristigen Aufwärtstrend bei der Entwicklung des Ölpreises, der über Marktschwankungen und Konjunkturzyklen hinausgeht. In Zahlen ausgedrückt: Schon nächstes Jahr rechnet JPMorgan-Rohstoffanalyst Christyan Malek mit dreistelligen Preisen für ein Fass Rohöl, die bis 2025 auf rund 150 US-Dollar ansteigen werden. Zum Vergleich: Derzeit kostet ein Fass des Nordseeöls Brent 87 Dollar.

Maleks Erwartung ist leicht zu begründen: Eine robuste Nachfrage stößt ihm zufolge auf zu wenig Angebot. Mitte dieses Jahrzehnts erwartet der Analyst eine Unterversorgung des Marktes im Ausmaß von 1,1 Millionen Fass Rohöl, die bis 2030 auf 7,1 Millionen Barrel ansteigen werde. Maleks launiger Kommentar: "Schnallen Sie sich an! Es wird ein sehr schwankungsfreudiger Superzyklus."

Genau dafür bringt Woods Exxon offenbar in Stellung, wenn er seinen Konzern nun mit Pioneer fusionieren will. Denn mit dem Kauf weitet der größte Ölproduzent der USA seine Präsenz in einer der lukrativsten Regionen des US-Ölsektors aus. Pioneer ist der drittgrößte Ölförderer im Permian-Becken nach Chevron und Conoco Phillips. Dort liegen riesige Mengen an Schieferöl, das mithilfe der umstrittenen Fracking-Methode gewonnen wird.

Das Gebiet erstreckt sich über Teile der Bundesstaaten Texas und New Mexico und ist wegen vergleichsweise niedriger Kosten für die Öl- und Gasförderung die begehrteste Region der US-Energieindustrie. Die Produktionskosten liegen dort im Durchschnitt bei etwa 10,50 Dollar pro Barrel – was enorme Gewinnspannen möglich macht.

"Die gemeinsamen Fähigkeiten unserer beiden Unternehmen ermöglichen eine langfristige Wertschöpfung, die weit über das hinausgeht, was jedes allein zu leisten imstande gewesen wäre", sagt Exxon-Chef Woods dazu. Finanziell überheben wird er sich mit dem Zukauf wohl nicht. Allein im Vorjahr erzielte Exxon – dank bereits deutlich gestiegener Ölpreise – einen Rekordgewinn von 59 Milliarden Dollar, also fast den gesamten Kaufpreis. Zudem erhalten Pioneer-Aktionäre den Betrag nicht bar, sondern als Exxon-Mobil-Aktien erstattet.

Forderungen von Anlegern und Politikern, dem Kurs vieler europäischer Ölkonzerne zu folgen und auf erneuerbare Energien zu setzen, blockte Exxon-Chef Woods stets ab. Er hielt trotz scharfer Kritik an einer stark ölabhängigen Strategie fest. Erneuerbare spielen in seinem Produktportfolio nur eine sehr untergeordnete Rolle.

BP setzt auf Erneuerbare

Es geht auch anders. BP hält auch nach einem Chefwechsel an seinem Klimakurs fest. "Die Strategie, der finanzielle Rahmen und die Netto-Null-Ambitionen von BP sind unverändert", ließ Interimschef Murray Auchincloss diese Woche Investoren wissen. Er will Milliarden investieren und bis 2050 netto keine Kohlenstoffemissionen verursachen.

Davon kann bei Woods keine Rede sein. Aber vielleicht bringt oder zwingt die Mitte September eingebrachte Klimaklage des US-Bundesstaats Kalifornien gegen Exxon Mobil und andere Ölkonzerne wegen Falschinformationen über die Risiken fossiler Energien die Konzernchefs zum Umdenken. (Alexander Hahn, 12.10.2023)