Am Lichtkonzept wird noch gefeilt, die Vitrine für die Süßspeisen fehlt noch, und auf Hochglanz putzen muss Christian Tauß den kleinen Raum im "Blauen Haus" am Wiedner Gürtel 4 auch noch. Aber am 21. Oktober sollte das alles erledigt sein, und dann geht für den 37-jährigen gelernten Elektrotechniker ein großer Traum in Erfüllung: Dann kann er nämlich sein lange geplantes Aufzugcafé endlich eröffnen.

Christian Tauß in seinem Aufzugcafe am Wiedner Gürtel.
Christian Tauß in seinem Aufzugcafe. Der Paternoster hinter ihm stammt aus der Zentrale der Creditanstalt-Bankverein am Schottentor, das Portal wurde originalgetreu nachgebaut.
Heribert Corn

Tauß kennt sich wie kaum ein anderer mit alten Aufzügen aus, er sammelt sie nämlich seit mehr als einem Jahrzehnt. Oder genauer: die Aufzugkabinen. Eine davon baute er 2015 aus einem gründerzeitlichen Zinshaus in der Heinestraße im zweiten Bezirk aus. "Der Lift ist dort schon seit 1960 außer Betrieb gewesen", erklärt er und doziert auch kurz über die Umstände, die zur Stilllegung geführt hatten: Um 1960 herum wurde nämlich die Wiener Stromversorgung Schritt für Schritt von Gleich- auf Wechselstrom umgestellt, "der Lift in der Heinestraße war quasi Opfer dieser Umstellung, für Investitionen war kein Geld da". Die prächtige Kabine diente dann viele Jahrzehnte lang nur noch als Lagerraum, so erhielt sich der Originalzustand bis zum Jahr 2015. Dann kam Christian Tauß.

Schwierige Suche nach dem richtigen Lokal

Jetzt steht diese etwa 115 Jahre alte Aufzugkabine in seinem kleinen Café am Wiedner Gürtel. Jahrelang hatte er nach einem geeigneten Raum gesucht, um seine Schätze präsentieren zu können und dabei idealerweise auch davon leben zu können – als Cafetier, der er nun sein wird. Schon beim ersten Besuch des STANDARD in seiner Werkstatt im 20. Bezirk sprach Tauß vom Fernziel des Aufzugcafés. Die Befähigungsprüfung zum Gastronomen absolvierte er in den ersten Corona-Monaten. Die Suche nach einem geeigneten Raum war schwieriger; einmal war er schon fast am Ziel, es wäre fast der siebte Bezirk geworden, dann zerschlug sich das wieder. Ein Auf und Ab, aber das gehört zu Aufzügen wohl nun einmal dazu.

Das Aufzugcafe am Wiedner Gürtel.
Die Kabinen auf dem linken Bild hat Christian Tauß aus Zinshäusern im zweiten Bezirk ausgebaut.
Heribert Corn

Das Lokal, das er nun durch Zufall gefunden hat, ist sehr klein, es bietet acht Sitzplätze, was die behördlichen Genehmigungen aber zumindest erheblich erleichterte. Ein eigenes Gäste-WC müsste er bei dieser Größe gar nicht haben, Tauß hat es trotzdem eingebaut, weil so etwas für ihn "einfach dazugehört". Auf dem Weg dorthin kann man sich aus einer alten Bassena, wie sie auf dem Gang vieler Wiener Zinshäuser früher zu finden war, Trinkwasser entnehmen.

Die eingangs schon erwähnte originale Liftkabine aus der Heinestraße, eine Stigler aus dem Jahr 1908 (auf dem Bild oben links zu sehen), stand sogar schon einmal in einem Kaffeehaus, nämlich im Café Comet im siebten Bezirk. Dort gab es 2021 eine klitzekleine Ausstellung im Schaufenster, "der Platz in der Kabine wurde dann aber zum beliebten Ort, um mit Freunden zu plaudern", sagt Tauß.

Der Kaffee kommt mit dem Lastenrad

Er hofft, dass das Sitzen in den alten Kabinen nun auch am Wiedner Gürtel gut funktionieren wird. Mit einem Kaffee, natürlich. Die Bohnen bezieht er von der Kaffeefabrik in Simmering, "die liefern mit dem Lastenrad hierher". Welche Kaffeespezialitäten auf der Karte stehen werden, steht beim Besuch des STANDARD noch nicht fest. Aber das Übliche wird natürlich nicht fehlen: "Melange, Verlängerter, Cappuccino und Americano für die Touristen." Auf Letztere hofft er stark, die Nähe zum Belvedere ist sozusagen Teil des Geschäftsmodells, das wird "ein wichtiger Faktor" sein, wie er glaubt. Auch Postkarten mit Motiven des Aufzugcafés ließ er designen, man wird sie gleich vom Café aus wegschicken können.

Detailaufnahmen aus einer Aufzugkabine.
Die alten Liftkabinen sind inklusive der alten Technik zu bewundern.
Heribert Corn

Zum Kaffee wird es unter anderem kleine Croissants, Pains au chocolat und vegane Brownies geben, die von 15 süße Minuten stammen. Die süßen Snacks will er in einer Vitrine präsentieren, die in eine der beiden Paternosterkabinen gestellt wird. Die linke Kabine steht um einen halben Meter höher als die andere, es wirkt ein bisschen so, als könnten sie auch hier noch als sogenannter Personenumlaufaufzug monoton ihre Runden drehen, so wie sie das jahrzehntelang in der prachtvollen Zentrale der Creditanstalt-Bankverein am Schottentor machten. Und für ein Erinnerungsfoto werden Gäste des Aufzugcafés auch kurz so tun können, als würden sie nach oben fahren. Das Portal des Paternosters wurde vom Team des Aufzugmuseums im Sommer 2021 originalgetreu nachgebaut, nun hat es seinen Platz im Café gefunden.

Upcycling als Mittel der Wahl

Generell hat Tauß gemeinsam mit Freunden vieles im Café selbst gemacht, "sonst hätte ich mir das alles gar nicht leisten können", sagt er. Unter anderem mussten die Türstöcke verbreitert werden. Mit einem Freund, der Schlosser ist, baute er selbst die Bistrotische unter Verwendung alter Umwehrungsgitter von – ja, genau: Aufzügen. "Die Tische schauen ja sonst überall gleich aus."

Erst durch Re- und Upcycling wurde die ganze Unternehmung für ihn erschwinglich. Die Markise samt Stangen hat ihn 100 Euro gekostet. Sie selbst zu beschriften war ihm aber vorerst noch zu heikel, sagt Tauß – "am Schluss ist die ganze Markise zerstört". Das wird wohl ein Projekt für nächstes Jahr. Der Schriftzug "Aufzugcafé" wird vorerst nur an den Fenstern zu sehen sein.

Auf ein paar Zehntausend Euro haben sich die Ausgaben natürlich trotzdem summiert, seine eigene Arbeitszeit nicht eingerechnet, sagt Tauß. So ein Lokalumbau kostet Geld. Und Zeit. Immerhin hatte er keine Probleme dabei, die Magistratsabteilung 19 (MA 19 – Architektur und Stadtgestaltung) von seinen Plänen zu überzeugen. "Es gab natürlich Vorgaben, aber grundsätzlich hatte ich recht viel eigenen Entscheidungsspielraum." Als er die Zeichnung, wie das Portal aussehen wird, bei der MA 19 abgegeben hatte, wurde er "nach nicht einmal 24 Stunden zurückgerufen, die waren begeistert. Weil die natürlich wussten, wie es hier vorher ausgeschaut hat." Davor standen Spielautomaten in dem Geschäftslokal.

Detailaufnahmen aus dem Aufzugcafe
Das Aufzugcafe sperrt am 21. Oktober auf.
Heribert Corn

13 Kabinen hätte er noch

Vonseiten des Gebäudeeigentümers – des Stifts Klosterneuburg – und der Hausverwaltung wurde ihm großes Vertrauen entgegengebracht, sagt er, denn man kennt sich bereits aus Tauß’ früherem Leben als Elektrotechniker: "Ich habe hier die Sprechanlage installiert." Er durfte "auf Leerstandsnutzungsbasis", also mit einem sogenannten Prekariatsmietvertrag, schon einmal anfangen mit dem Umbau. Seit 2021 wohnt Tauß zudem auch selbst in dem Haus, ein paar Stockwerke oberhalb seines Cafés, was die Sache für ihn natürlich extrem erleichtert. Von neun bis 17 Uhr wird er künftig selbst im Lokal stehen, das werden jedenfalls die Kernöffnungszeiten sein, und zwar von Mittwoch bis Sonntag.

Ein größeres Lokal hätte es fast direkt daneben gegeben, es steht leer, dort könnte er auch seine restlichen 13 Aufzugkabinen ausstellen, die er in einer Halle in Orth an der Donau eingelagert hat – "aber das war mir als erster Schritt dann doch zu groß". Jetzt konzentriert er sich vorerst einmal auf die kleinere, ursprünglich aber ohnehin so geplante Version seines Aufzugcafés. (Martin Putschögl, 17.10.2023)