Viennale
Nerdpower mit Mike (Jay Baruchel) und Doug (Regisseur Matt Johnson).
Viennale

Ein Kinofilm über die Erfindung des Smartphones ist langweilig. Das dachte sich Regisseur Matt Johnson erst einmal. Doch in BlackBerry steckt mehr als ein Tech-Biopic. Denn anders als Steve Jobs, Mark Zuckerberg oder Elon Musk kennt niemand die Jungs hinter dem ersten Smartphone, das noch vor dem Apfel-Handy das Internet in der Hosentasche möglich machte: Mike Lazaridis, Doug Fregin und Jim Balsillie sind Kanadier und damit schon von Haus aus Underdogs auf dem amerikanischen Kontinent – eine Beziehung zum US-Bruderstaat, die gerade in Österreich Identifikationspotenzial hat.

Dabei beginnt auch dieses Tech-Märchen ganz klassisch US-amerikanisch in einer besseren Garage. Die beiden Nerds Mike und Doug basteln in lockerer Arbeitsatmosphäre an ihrem intelligenten Handy. Mike ist das Genie, Doug (gespielt von Regisseur Matt Johnson) für die gute Stimmung und die Filmabende zuständig. Doch erst mit dem glücklosen Showman-Manager und Eishockey-Fan Jim Balsillie beginnt ihre Erstbesteigung des Smartphone-Olymps.

Kein Schmäh vom Aufstieg

Das Porträt des brillant gespielten Trios ist durchaus liebevoll. Keiner ist wirklich ein Ungustl, auch im Untergang bewahren sie noch Würde. Mit zeitweise fast dokumentarischem Voyeurismus und ordentlich 1990er-Nostalgie begleitet der Film den technologischen Rückblick durchs Schlüsselloch des IT-Maschinenraums.

Inspiriert vom Buch Losing the Signal: The Untold Story Behind the Extraordinary Rise and Spectacular Fall of Blackberry bewegt sich Matt Johnson in seinem dritten Film recht zielsicher von der anfänglichen Freundschaftsstory zum Wirtschaftsthriller. Das macht BlackBerry spannender als so manche Tellerwäscher-Millionär-Laufbahn, die uns den Schmäh vom Aufstieg durch Leistung weismacht.

IFC Films

Ähnlich wie David Finchers Facebook-Film The Social Network hält auch BlackBerry eine größere Geschichte bereit. Es geht um männliche Nerd-Kultur, Perfektionismus, Minderwertigkeitskomplexe und natürlich die fatalen Verlockungen des Kapitalismus, die verlässlich den Zauber austreiben, der angeblich jedem Anfang innewohnt.

Matt Johnson versteht dabei den kanadischen Wettstreit mit Silicon Valley auch als Allegorie auf seinen eigenen als Filmemacher mit dem 400 Meilen südlich gelegenen Hollywood. Es ist ein ungleicher Kampf, dessen Dollarlogik sich nicht aushebeln lässt. Aber dass aus dem hohen Norden Amerikas spannende Filme kommen, beweist BlackBerry allemal. (Marian Wilhelm, 15.10.2023)