Austernfischer
Austernfischer auf der Insel Santa Cruz, Teil des Galapagos-Archipels.
AFP/ERNESTO BENAVIDES

Es ist die größte je dokumentierte Vogelgrippewelle, die sich derzeit über mehrere Erdteile erstreckt. In Südamerika sind zuletzt tausende Robben und Seelöwen dem Virus zum Opfer gefallen. Doch auch die 1.000 Kilometer Wasser, welche die Galapagosinseln vom südamerikanischen Festland trennen, konnten keinen Schutz vor dem Erreger bieten, der vor allem Vögel, aber vereinzelt auch Säugetiere befällt. Trotz der enormen Distanz hat das Virus H5N1 auch den abgelegenen Archipel im Ozean erreicht und gefährdet die einzigartige Tierwelt.

Zuletzt sind dutzende Vögel auf den unbewohnten Inseln Genovesa und Wolf verendet, bei mindestens drei wurde das Virus nachgewiesen, nachdem ein Schiff mit Experten im Auftrag des Umweltministeriums entsandt worden war, um Proben von kranken Tieren zu nehmen und im Labor auszuwerten. "Das ist eine sehr gefährliche Situation, nicht nur für die Meeresvögel, sondern auf für die Seelöwen", sagte der Direktor des Nationalparks Galápagos, Danny Rueda, in einem Radiointerview.

Ein Expertenteam untersuchte Vögel auf den Inseln Genovesa und Wolf und nahm Proben.
EPA/PARQUE NACIONAL GALAPAGOS HA

Bei Zugvögeln angesteckt

Auf den Galapagosinseln leben nach Angaben der Behörden 78 endemische Vogelarten, die auf der Suche nach Nahrung teilweise bis auf das südamerikanische Festland fliegen. Nachgewiesen wurde das Vogelgrippevirus bei Rotfußtölpeln. Sie ernähren sich nur von wenigen Fischarten, die es aufgrund der hohen Wassertemperaturen wegen des El-Niño-Phänomens derzeit nur in weit abgelegenen Gebieten gibt. "Wir gehen davon aus, dass sich die Tiere auf der Suche nach Nahrung weit von den Galapagosinseln entfernt und sich dort bei Zugvögeln angesteckt haben", sagt Rueda.

"Die größte Gefahr besteht wahrscheinlich für Populationen, die es nur dort gibt und die nicht sehr groß sind", sagt der Leiter des Instituts für Virusdiagnostik des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Martin Beer. Nach bisherigen Erfahrungen bestehe vor allem für Wasservögel und Arten, die zu diesen Kontakt haben, Gefahr. Singvögel seien weniger betroffen. Damit besteht zumindest Hoffnung für die berühmten Darwinfinken, sagt Beer.

Der Galapagos-Rubintyrann ist auf dem Archipel endemisch.
via REUTERS

Die Galapagosinseln gehören zu Ecuador und sind wegen ihrer besonderen Flora und Fauna seit 1978 Unesco-Weltnaturerbe. Zu den endemischen Arten, die es nur dort gibt, zählen Meerechsen, Landleguane und Darwinfinken. 1835 besuchte Charles Darwin die Inseln, von wo seine Evolutionstheorie ihren Ausgang nahm.

Gefahr für kleine Populationen

Zwar seien Krankheiten keine häufige Ursache für das Aussterben von Arten, zitierte die Fachzeitschrift "Science" den Virologen Thijs Kuiken von der Erasmus-Universität Rotterdam. Allerdings könnten ansteckende Krankheitserreger kleine Populationen an den Rand des Aussterbens bringen. Das Risiko sei höher für Arten, die nur an einem Ort vorkommen, wie die Galapagos-Lavamöwe – mit nur 300 Brutpaaren die seltenste Möwe der Welt. Auch der Galapagospinguin kommt nur auf den Inseln vor. Er ist mit dem Humboldtpinguin verwandt, von dem in Südamerika viele Exemplare an der Vogelgrippe gestorben sind.

Pinguine
Penguine auf der Insel Bartolomé.
APA/AFP/CARLOS ESPINOSA

Um eine weitere Ausbreitung der Vogelgrippe im Galapagos-Archipel zu verhindern, haben die örtlichen Behörden sechs Besucherstellen für Touristen geschlossen. Zudem wurden die Reiseanbieter dazu aufgerufen, die Schuhe und Kleidung ihrer Gäste regelmäßig zu desinfizieren. "Mehr als generelle Biosicherheitsmaßnahmen und regionale Zugangskontrollen kann man eigentlich nicht machen, weil das Virus durch Wildvögel übertragen wird", sagt Martin Beer. "Die kann man nicht in ihrer Wanderungsbewegung und den Kontakten einschränken."

Besondere Sorge bereitet ihm derzeit ein mögliches Überspringen des Virus auf die Antarktis. "Dort gibt es bis zu 100 Millionen Seevögel, die da ihre Brutgebiete haben", sagt er. Eine Verbreitung des hochpathogenen H5N1-Virus könne dort einen noch größeren Effekt auf die Vogelwelt haben als beispielsweise auf den Galapagosinseln. "Und deswegen schauen alle im Moment auch auf die Antarktis." (red, APA, 16.10.2023)