Das Logo des Streaming Dienstes Netflix ist auf einem Fernseher zu sehen.
Laut A1-CEO Marcus Grausam entfallen 80 Prozent des Traffics auf Video.
Imago/Trutschel

Streaming ist von den Fernsehern und Smartphone-Bildschirme vieler Menschen nicht mehr weg zu denken, und sorgt auch für Kopfzerbrechen bei den Telekommunikationsunternehmen: sie forderten zuletzt unter dem Schlagwort "Fair Share", dass sich Anbieter wie Netflix oder Amazon an den Netzkosten beteiligen, zumal laut A1-CEO Marcus Grausam 80 Prozent des Traffics im A1-Netz auf Video entfallen. Und Rudolf Schrefl, CEO von Drei, beklagte im Gespräch mit dem STANDARD, dass das nicht nur Kosten verursacht, sondern auch Strom verbraucht und somit die Umwelt belastet: somit sollten die Plattformbetreiber zumindest verpflichtet werden, moderne Codecs einzusetzen, welche die Netze und somit auch das Klima weniger belasten.

Am Montag ist in Cannes mit der Mipcom die weltgrößte Fachmesse für TV-Stoffe gestartet – und rückt das Thema Streaming erneut in den Fokus. Dabei steht auch der Faktor Umwelt zur Diskussion. Akteure wie Netflix oder Amazon weisen zwar immer wieder darauf hin, dass der Umwelteffekt im Vergleich etwa zu Fliegen oder Autofahren gering sei. Umfassendere Studien dazu sind allerdings einige Jahre alt. Und sie kommen zu deutlich abweichenden Resultaten.

Sieben Prozent der globalen Treibhausgase?

Auf 100 bis 175 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Stunde Streaming kommt etwa eine Studie des Hamburger Borderstep Instituts, also ähnlich wie die Emissionen eines Kleinwagens bei einem Kilometer Autofahrt. Die Untersuchung stammt aus dem Jahr 2020 und bezieht sich auf 2018. Die unabhängige Denkfabrik "Shift Project" aus Paris hat fast zeitgleich errechnet, dass diese Emissionen bis 2025 einen Anteil von mehr als sieben Prozent bei der Erzeugung der globalen Treibhausgase ausmachen könnten.

Als eine Art Standard gilt inzwischen eine Untersuchung der englischen Organisation Carbon Trust, die unter anderem von Netflix finanziert wurde. Sie kam vor gut zwei Jahren zu dem vergleichsweise weniger alarmierenden Ergebnis, dass eine Stunde Streaming in Europa ungefähr nur 55 Gramm CO2 verursacht. Wenn es denn stimmt.

Energiebedarf und Kältemittel

"Schon die Auswahl der Daten ist sehr komplex", kommentiert Birgit Heidsiek das "White Paper" von Carbon Trust. "Parameter wie die in Rechenzentren eingesetzten Kältemittel sind in dieser Berechnung nicht berücksichtigt worden. Zum Energiebedarf für die Kühlung, der in Rechenzentren zwischen 35 bis 50 Prozent liegt, kämen noch klimaschädliche Kältemittel hinzu, die durch Wartung oder Leckagen aus den Klimaanlagen austreten, so die Expertin und Initiatorin des Projektes Green Film Shooting.

"Die einzelnen Untersuchungen sind zwar gut und relativ vollständig, aber eine Übersicht zu verschiedenen Anwendungsfällen fehlt", kritisiert auch der Wissenschafter Christian Herglotz vom Department Elektrotechnik-Elektronik-Informationstechnik an der Friedrich-Alexander Universität in deutschen Erlangen, "es ist beispielsweise etwas völlig anderes, wenn ich ein Video bei Netflix streame oder ich ein Video aufnehme und es in sozialen Netzwerken hochlade und dann teile. Bei ersterem wird der Großteil der Energie bei den Endgeräten verbraucht, bei letzterem in den Datencentern. Insbesondere der Bereich der sozialen Netze wurde noch gar nicht ernsthaft untersucht."

Wie man umweltfreundlicher streamt

Wer umweltfreundlich streamen möchte, sollte in jedem Fall energieeffiziente Endgeräte nutzen. Je kleiner der Bildschirm, desto geringer der Energieverbrauch. Auch der Ausspielweg hat eine große Auswirkung wie Heidsiek betont: "Beim Videostreaming über Glasfaser werden pro Stunde zwei Gramm CO2 verursacht, wenn dies über Kupferkabel, also VDSL, erfolgt, verdoppelt sich der CO2-Ausstoß auf vier Gramm." Wird mobil über UMTS geschaut, dann schlägt die Datenübertragung mit 90 Gramm CO2 in der Stunde zu Buche. (APA/dpa/red, 16.10.2023)