Wien – Im Vorfeld der Budgetrede des Finanzministers Magnus Brunner, die der ÖVP-Politiker am Mittwoch im Nationalrat hält, ist die Diskussion über das Pensionsantritts­alters neu entbrannt. Wie Berechnungen zeigen, werden die Ausgaben des Staates für die Pensionen in den nächsten Jahren anwachsen.

Ältere Person hält einen Gehstock.
Das gesetzliche Pensionsantrittsalter liegt in Österreich für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 Jahren.
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Im Budget seien die Pensionen schon jetzt der größte Brocken im Staatshaushalt, betonen zudem Kritikerinnen und Kritiker. Und die ­Lebenserwartung steigt weiter an. Für viele ist die logische Lösung: ein höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter, um das System zu entlasten. Das käme auch für den Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, in Kombination mit einer Pensionsreform infrage.

Es überrasche ihn, dass angesichts des Ausgabendrucks, den der Staat durch das "generöse Pensionssystem" erlebe, keine Diskussionen stattfänden, sagte Bonin, wie berichtet, in der ORF-Pressestunde. Ein Antrittsalter von 67 Jahren müsse zumindest in Betracht gezogen werden. Kritisch sieht Bonin auch, dass viele Menschen nicht bis zum gesetzlichen Antrittsalter arbeiten würden.

"Zu kurz gegriffen"

Dass es eine qualifizierte Dis­kussion über das Pensionssystem brauche, unterstreicht auch Wifo-Experten Christine Mayrhuber im Gespräch mit dem STANDARD. Die bloße Diskussion um eine Erhöhung des Antrittsalters sieht Mayrhuber aber als nicht zielführend an. "Nur das Antrittsalter zu reformieren, halte ich für zu kurz gegriffen", betont die Expertin. Vielmehr brauche es eine Reform, die das Antrittsalter und zusätzlich die geleisteten Versicherungsjahre berücksichtigt.

Sonst gebe es Ungleichheiten, denn die Restlebenszeit sei laut Mayrhuber sehr individuell. Studien würden etwa zeigen, dass die Ausbildung eines Menschen auch Auswirkungen auf die Lebenserwartung hat. Eine Arbeiterin, die früh ins Berufsleben eingestiegen ist und einen Pflichtschulabschluss hat, habe eine um mehrere Jahre kürzere Restlebenszeit zu erwarten als eine Person mit akademischer Ausbildung. Auch hätten Akademikerinnen und Akademiker eine längere Ausbildung und dadurch weniger Versicherungsjahre als jemand, der früh ins Arbeitsleben einsteigt. "Wir sind eine heterogene Gesellschaft und dürfen deshalb bei Reformen nicht zu sehr auf das Antrittsalter starren", sagt Mayrhuber.

AK: Staat kann sich Pensionen leisten

Ähnlich sieht das die Arbeiterkammer (AK). "Auch in nächster ­Zukunft kann sich der Staat die ­Pensionen leisten", sagt Erich Türk, Pensionsexperte bei der AK. Schon jetzt würden Menschen immer später in Pension gehen: Türk verweist darauf, dass das tatsäch­liche Antrittsalter bei Männern seit dem Jahr 2000 um 3,6 Jahre angestiegen ist. Der Ökonom wünscht sich Reformen, die auf das Potenzial vor der Pension abzielen. Dieses werde nicht voll ausgeschöpft, "es braucht mehr Maßnahmen, um Ältere, Frauen und Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren".

Während in Österreich das Antrittsalter für Männer noch bei 65 Jahren und für Frauen bei 60 Jahren liegt, wurde in Deutschland schon 2007 von den damals regierenden CDU und SPD beschlossen, dass ab 2012 die Altersgrenze für die Pensionen ohne Abschläge schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben wird. Ab dem Jahr 2031 liegt der Pensionseintritt dann bei vollen 67 Jahren.

Keine Zustimmung

In Österreich lehnen hingegen fast allen Parteien eine Erhöhung des Pensionseintrittsalters ab. Der pinke Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker fühlt sich hingegen von den Aussagen Bonins bestätigt: "Nicht nur der Rechnungshof, auch Österreichs Wirtschaftsexperten haben offensichtlich längst begriffen, dass wir ohne Reformen direkt auf einen Kollaps unseres Pensionssystems zusteuern." Ohne längst überfällige Reformen werde aber die Zukunft der nächsten Generationen verspielt. Loacker fordert eine "echte Pensionsrevolution mit einer Pensionsautomatik, einem einheitlichen Pensionskonto mit denselben Regeln für alle Versicherten und ein Ende der jährlichen Extra-Erhöhungen jenseits der Inflationsrate.“

SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne sprachen sich in der Vergangenheit stets gegen eine weitere Anhebung des Pensionsalters aus. Äußerst vehement wendet sich SPÖ-Sozialsprecher und Chef der SP-Gewerkschafter Josef Muchitsch im Gespräch mit dem STANDARD gegen die Vorschläge, das Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre anzuheben. "Was nützt das, wenn ich das Pensionsalter auf 67 Jahr anhebe, wenn viele unter 60 schon ihre Jobs verloren haben und aussortiert wurden?" Es müsse jetzt vielmehr darum gehen, "die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass es für alle möglich sein wird, das gesetzliche Pensionsalter überhaupt zu erreichen". Erst dann könne man über Erhöhungen reden. (Max Stepan, Walter Müller, 16.10.2023)

Update 17.10,2023 9:59 Uhr