Sylvie Uderzo Anne Goscinny
Anne Goscinny und Sylvie Uderzo (v. li.) mit STANDARD-Korrespondent Stefan Brändle beim Gespräck über Asterix' Geist.
Egmont Ehapa Media

Der 40. Band der Serie heißt Die weiße Iris. Die neue Hauptfigur Visusversus propagiert das positive Denken, manipuliert aber in Wahrheit das ganze gallische Dorf. Das ganze? Antwort gibt der neue Asterix-Band, der am Montag in zwanzig Sprachen und einer – erneut gestiegenen – Auflage von über fünf Millionen erscheint, neu auch auf Griechisch und Dänisch. Die deutsche Ausgabe ist mit 1,7 Millionen Exemplaren die wichtigste nach der französischen. Die weiße Iris wurde vom neuen Asterix-Texter Fabrice Caro geschaffen, während der Illustrator Didier Conrad schon bei seinem sechsten Asterix-Werk angelangt ist. Die Asterix- und Obelix-Figuren waren 1959 vom Texter René Goscinny und dem Zeichner Albert Uderzo erfunden worden. Nach dem frühen Tod Goscinnys im Jahr 1977 übernahm Uderzo auch das Drehbuch, bevor er 2020 starb.

STANDARD: Frau Goscinny, Frau Uderzo, fühlen Sie sich kraft Ihrer illustren Namen als so etwas wie die Hüterinnen des Asterix-Grals?

Sylvie Uderzo: Des Grals ... des Tempels – wie Sie wollen.

Anne Goscinny: Eher des Dorfs.

Sylvie Uderzo: Ja, das ist noch besser. Wir sind die Wächterinnen des gallischen Dorfes!

Anne Goscinny: Zumal sich unsere Väter in einem Dorf wohler gefühlt hätten als in einem Tempel. Und sicherlich in diesem mythischen Dorf, das bekannt ist für seinen Humor, für seinen trotzigen Widerstand.

Sylvie Uderzo: Für seine Rebellion!

STANDARD: Da kommt ja der neue Asterix-Texter Fabrice Caro gerade richtig – gilt er doch als jemand, der einen leicht verschrobenen, eben rebellischen Humor hat.

Anne Goscinny: Stimmt, als wir vor zwei Jahren einen neuen Texter suchten, lautete die Frage für Sylvie und mich, ob sich jemand finden ließe, der den "Geist" Asterix’ treffen und wiedergeben könne. Fabcaro kam wie gerufen. Seine bisherigen Werke mit ihrem oft absurden Humor hätten meinem Vater gefallen.

STANDARD: Können Sie uns die Zauberformel für den Erfolg von Asterix seit über 60 Jahren nennen?

Sylvie Uderzo: Unsere Väter hatten kein Rezept. Entscheidend war wohl ihre Beziehung, eine richtige, echte Freundschaft. Sie taten alles, um einander zum Lachen zu bringen. Später amüsierten sie sich, indem sie die Leser amüsierten. Das Rezept lautete ganz einfach, die Asterix-Leser zum Lachen zu bringen.

Anne Goscinny: Mein Vater sagte mir einmal, er arbeite nach dem Prinzip, dass er sich erst dann an ein neues Comic-Feld mache, wenn ihm für das vorhergehende Feld wirklich kein Gag mehr eingefallen sei.

Asterix
Titelbild des neuen Asterix-Bandes mit neuer Figur Visusversus.
Copyright: Asterix® – Obelix® – Idefix® / © 2023 Hachette Livre/ Goscinny – Uderzo

STANDARD: Und diese beiden sympathischen Antihelden brauchen also Ihren Schutz?

Anne Goscinny: Ja, denn wir wollen nicht, dass sie auf Abwege geraten. Wir achten darauf, dass ihr Abenteuer keine Wendungen nimmt, die unsere Väter nicht gewollt hätten. Und zwar dauerhaft. Ein Verlag hat nicht die gleichen Interessen wie Asterix. Wir beiden ziehen es vor, weniger Produkte abzusetzen, aber dafür den Geist des Comics zu wahren. Die Herausgeber verschwinden, das Werk bleibt.

STANDARD: Wenn Sie die Asterix-Macher "begleiten", heißt das, dass Sie ihnen beim Texten und Zeichnen buchstäblich über die Schulter schauen?

Anne Goscinny: Nein, das tun wir nicht. Dafür ist allenfalls der Verlag da. Wir mischen uns nicht in den Schöpfungsprozess ein.

Sylvie Uderzo: Wir sind in diesem Prozess das Tüpfelchen auf dem i. Und was für ein i!

STANDARD: Neuere Bände nehmen zeitgenössische Gesellschaftsthemen auf. Ist das von Ihnen gewollt?

Anne Goscinny: Das war schon immer so. Auch viele ältere Bände enthalten Themen wie etwa Religion oder Immobilienkrise. Der neue Band reiht sich mit dem Thema "positives Denken" in die Reihe ein.

STANDARD: Sind Themen wie Feminismus nicht ein inhärenter Stilbruch zur Antike?

Sylvie Uderzo: Der 29. Band, Asterix und Maestria, war 1990 wohl eine Antwort auf Kritiken, René und Albert bezögen nicht genug Frauen ein. Solche Themen kommen aber nicht als Selbstzweck vor, sondern für den Plot. Wie auch bei Kleopatra. Sie wurde nicht schwach gezeigt, sondern stark und mächtig.

Anne Goscinny: Mein Vater sagte oft, eine karikierte Frau bringe niemanden zum Lachen, zumal es einfach unschön sei. Es stimmt, Gutemine, die Frau von Majestix, ist eine Zänkerin, aber mein Vater inspirierte sich auch gerne an schönen Frauen wie Sylvies Mutter.

STANDARD: Puristen werfen Ihnen seit jeher vor, den Geist der Urväter zu verraten, da sie nach dem Tod von René Goscinny 1977 und von Albert Uderzo 2020 mit neuen Textern und Zeichnern weitermachten.

Anne Goscinny: Dabei kommen die Zeichnungen von Didier Conrad dem Stil Uderzos näher denn je!

STANDARD: Eine Kritik lautet, Asterix laufe sich langsam tot.

Anne Goscinny: Es gibt immer Leute, die sagen, vorher sei alles besser gewesen. Einverstanden, zu Beginn der Asterix-Serie hatten wir unsere eigenen Väter noch! Trotzdem bin ich glücklich, dass das Abenteuer weitergeht.

STANDARD: Albert Uderzo hat 2018 selbst gesagt, nach ihm werde die Serie eingestellt.

Sylvie Uderzo: Aber später änderte er seine Meinung wieder. (Stefan Brändle aus Paris, 17.10.2023)