Josep Borrell, der Hohe Beauftragte für die gemeinsame Außenpolitik der EU.
Josep Borrell, der Hohe Beauftragte für die gemeinsame Außenpolitik der EU, will Vermittlung durch die Union.
EPA/RAUL CARO

"Eine gemeinsame Position und eine klare einheitliche Vorgehensweise" im eskalierenden Nahostkonflikt, das war das Ziel, das Charles Michel den 27 Staats- und Regierungschefs in Brüssel für einen kurzfristig einberufenen EU-Gipfel Dienstagabend vorgegeben hatte. Seit den Angriffen der Hamas auf Israel vor zehn Tagen hatte die EU als Institution, vor allem aber auch die 27 Mitgliedsstaaten, insgesamt ein verwirrendes Bild der Uneinigkeit und der internen Konflikte abgegeben. Hatte es in einer ersten Reaktion etwa aus der Kommission geheißen, dass alle EU-Subventionen für die Palästinenser gestrichen werden, um eine Finanzierung der Hamas auszuschließen, drängte der Hohe Beauftragte für die gemeinsame Außenpolitik, Josep Borrell, darauf, dass die Union als Vermittlerin auftreten müsse.

Dieses Tohuwabohu wollte der Ständige Präsident des Europäischen Rates schleunigst beenden, wie es in seinem Umfeld hieß. Er stellte klar, dass die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eine Sache der Staaten beziehungsweise der Regierungschefs sei, nicht der Kommission. Es gehe darum, eine "strategische Debatte" darüber zu führen, wie Europa sich im Konflikt positioniert. Am Freitag soll es dazu einen EU-USA-Gipfel mit Präsident Joe Biden geben, zur transatlantischen Abstimmung.

Terror stört Gipfel

Nicht zuletzt der Terroranschlag in Brüssel am Abend davor und die Ausrufung der höchsten Alarmstufe durch die belgischen Sicherheitsbehörden warfen dem Vorhaben Michels jedoch Prügel vor die Füße. Die Kommission und auch der Rat forderten ihre Beamten auf, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Institutionen blieben geschlossen. Der informelle Gipfel war auch von Anfang an nur als virtuelles Treffen – per Videokonferenzschaltung – geplant.

Unstrittig war die bereits am Sonntag schriftlich ergangene Erklärung, wonach Israel jedes Recht auf Selbstverteidigung habe, allerdings unter Einhaltung aller humanitären, internationalen Regeln. Was das für die von der Regierung in Jerusalem angekündigte Militäraktion zur Ausschaltung der Hamas bedeutet, das schien schon wieder weniger klar. Manche Länder sprechen sich gegen Bombardierungen in Gaza aus, andere befürworten das explizit. Ein wichtiger Punkt ist die Befreiung von Geiseln, die die Hamas in den Gazastreifen entführt hat. Dazu laufen seit Tagen geheime Gespräche auf höchsten Ebenen. Man hofft, zumindest einen Teil der Geiseln aus insgesamt zwanzig Ländern freizubekommen.

Folgen für Europa

Schließlich wollen die EU-Regierungschefs die möglichen Folgen des Krieges auf die gesamte Region erörtern – und welche Konsequenzen das für Europa haben könnte. Hilfsorganisationen weisen darauf hin, dass eine neue Flüchtlingswelle nach Europa entstehen könnte.

Die Kommission beziehungsweise Präsidentin Ursula von der Leyen hat eine Verdreifachung der humanitären Nothilfe für die Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza angekündigt. Wie die Hilfsmittel in das Gebiet kommen, das muss erst geklärt werden. (Thomas Mayer, 17.10.2023)