Andreas Gabalier
"Ich bin, was ich bin, und steh auch zu den Aufregern von früher. Ich bin eine Marke", sagt Andreas Gabalier.
Heribert Corn

Am 4. November beendet Andreas Gabalier mit einem Konzert in der Wiener Stadthalle seine heurige Tournee Dirndl-Wahnsinn-Hulapalu!, am 3. November spielt er in Linz. Der Volksmusiker und "Volks-Rock-'n'-Roller" hat zuletzt kaum für Aufregung gesorgt, das freut ihn. Stattdessen hat er Wienerlieder veröffentlicht und macht sich Sorgen um die Spaltung der Gesellschaft. Bei dem Thema wird er leidenschaftlich – und zart nostalgisch.

STANDARD: Es ist ruhig um Sie geworden, nicht musikalisch, aber es gibt keine Kontroversen. Was ist los?

Gabalier: Ihr habt aufgegeben! Im Ernst, es freut mich, dass der ganze Schwachsinn aufgehört hat — eigentlich seit dem Weihnachtsgespräch, das wir in dieser Zeitung vor drei Jahren geführt haben. Da sieht man, was rauskommt, wenn man einmal miteinander redet.

STANDARD: Nach dem ersten Interview hieß es, DER STANDARD lasse sich vor Ihren Karren spannen. Dass man aus Interesse miteinander reden könnte, kommt manchen gar nicht mehr in den Sinn.

Gabalier: Leider. In Social Media und in den Foren wird nur mehr mit Daumen rauf oder Daumen runter gewertet. Da wird nicht einmal mehr gelesen. Alles ist im Unfrieden. Jetzt haben wir zwei Kriege, und da muss ich ehrlich sagen, das fängt halt im Kleinen an. Die Kriege finden alle schrecklich, aber selber hauen sie auf alles ein, was der eigenen Weltanschauung widerspricht. Skurril.

STANDARD: Mittlerweile haben Sie mit dem Lied "Liebeleben" sogar eine Toleranzhymne veröffentlicht. Schmerzt es Sie, dass so etwas medial vergleichsweise untergeht?

Gabalier: Offensichtlich war das zu wenig Sensation. Das Lied war eine Antwort, die nach dem Manderl-Weiberl-Sager von mir medial jahrelang nicht gehört werden wollte. Das ist sehr österreichisch, dass man ein Bild, das man von gewissen Personen hat, so gerne beibehält. Da kannst du tun, was du willst. Wir haben eine Charity in Tirol gemacht und 300.000 Euro für schwer gehandicapte Kinder gespendet. Das hat nur die Partnerzeitung vor Ort gebracht. Aber wenn irgendein negativer Schwachsinn passiert, wird der sofort 30-, 40-mal abgedruckt und online verbreitet.

STANDARD: Alle warten nur, dass Sie etwas Böses sagen?

Gabalier: Nein, aber man hat verlernt, abzuwägen. Es wird über ein paar Online-Kommentare berichtet, aber nicht über 30 ausverkaufte Stadien und Arenen, wo Hunderttausende kommen. Der ORF, die ARD, das ZDF, die erklären mir immer, sie brauchen mich während der Umschaltachse auf Sendung, damit die Leute nicht umschalten. Ich würde so stark polarisieren, sagen sie, bei mir blieben die Zuschauer hängen. Damit wird Quote gesammelt.

STANDARD: Aufreger regen auf.

Gabalier: Gleichzeitig wundern sie sich über den Unfrieden in den Nachbarländern und verbreiten am Hebel der Macht selbst nur negative Geschichten. Aber auf das lasse ich mich nicht mehr ein. Wir schenken mit unserer Musik einem Millionenpublikum eine Auszeit von diesen Nachrichten und von den Sorgen, die sie haben. Da haben die Leute einen Abend oder ein Wochenende lang eine gute Zeit, sind schön angezogen, treffen einander von Angesicht zu Angesicht. Das ist mir mehr wert, als mich in negative Geschichten reinzusteigern.

STANDARD: Aber es beschäftigt Sie trotzdem.

Gabalier: Ja, weil es keine Akzeptanz mehr gibt anderen Einstellungen gegenüber. Das zieht sich durch den Alltag, beim Impfen, beim Gendern, die ganze Politik. Das ist traurig. So kenn ich das nicht aus meiner Kindheit. Wir waren am Stadtrand von Graz zu Hause, da gab’s Leute, die sind den ganzen Tag am Müllhäusl gesessen mit Dreadlocks und ihren Ratten auf den Schultern, die damals grad modern waren. Andere sind in die Sporthauptschule gegangen und haben vielleicht gern gerauft, wieder andere haben studiert. Aber am Wochenende sind wir alle zusammengesessen und haben eine Gaude gehabt. Auch wenn man sich woanders hinentwickelt hat, hat man einander immer akzeptiert. Das ist verlorengegangen.

STANDARD: Würden Sie in die Politik gehen, um etwas zu ändern?

Gabalier: Ich bin, was ich bin, und steh auch zu den Aufregern von früher. Ich bin eine Marke, und ganz viel davon ist Entertainment, und deshalb möchte ich mich nicht politisch, für was auch immer, einsetzen. Ich würde das, was ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe, niemals eintauschen. Aber ich sehne mich nach der 1990er-Harmonie in der Politik. Da ist anders miteinander geredet worden. Heute wettert die Politik aufeinander, rennt mit Scheuklappen herum und lässt den anderen Parteien alles Mögliche ausrichten. Die gesunde Streitkultur ist verlorengegangen, und das ist ein Riesenproblem. Mir ist es ein Anliegen, einen Frieden zu schaffen, und den erlebe ich bei meinen Konzerten angesichts dessen, was die Leute da für eine Freude haben.

STANDARD: Das klingt ziemlich nostalgisch.

Gabalier: Was die letzten Jahrzehnte gehabt haben, war sicher mehr Charme als die jetzige Zeit. Es war nicht alles besser, doch der Umgang miteinander, die Wirtshauskultur, es war einfach charmanter. Aber natürlich ist man am Puls der Zeit. Man verkörpert eine modern gelebte Tradition, oft mit einem Augenzwinkern. Das ist nicht immer verstanden worden, aber mittlerweile seh ich das lockerer: Der Pionier kriegt immer die Prügel. Aber schalt heute den Radio ein, da hörst du dauernd Mundart. Da ziehen viele andere nach, das ist jetzt ganz normal.

STANDARD: Was macht Sie denn glücklich?

Gabalier: Das Leben, trotz aller Sorgen, und dass ich eine unglaublich liebe Familie habe und mein Erfolg natürlich. Dass ich nach meinen ganzen Rückschlägen so punkten konnte, ist schon sehr spannend. Aber du musst auch etwas dafür tun, dass du dorthin kommst. Mein Weg macht mich glücklich.

STANDARD: Letzte Chance für einen Aufreger: Mit welchem Text singen Sie zurzeit die Bundeshymne?

Gabalier: Schau ma einmal. Ich sage, wir nehmen so viel von außen an, und das ist gut so, aber es gibt gewisse Traditionen, an denen man schon festhalten kann. Auf Ö3 hat es damals eine Umfrage gegeben, die ging zu 93 Prozent für die alte Version der Hymne aus. Man kann’s so oder so singen. Das sollte das Land nicht so beschäftigen, wenn man sich die wirklichen Sorgen anschaut. (Karl Fluch, 29.10.2023)