Was genau passiert in den "rosa Zonen" Wiens, die die Stadtplanung im Fachkonzept Produktive Stadt von 2017 explizit für die Mischung von Wohnen und Gewerbe auserkoren hat? Jedenfalls zu wenig, meint man bei der Wirtschaftskammer. In Vertretung des Präsidenten Walter Ruck diskutierte die Leiterin der Abteilung Standort und Infrastrukturpolitik, Andrea Faast, auf dem jüngsten STANDARD-Wohnsymposium mit dem Wohnbausprecher der Wiener SPÖ, Kurt Stürzenbecher. Dieser hielt zu Beginn ein klares Plädoyer für die gut durchmischte Stadt. "Wir sind für die Stadt der kurzen Wege. Es soll nicht so sein wie in den USA, wo die arbeitenden Menschen weit außerhalb der Stadt Wohnen, weil sie es sich weiter drinnen nicht leisten können." Homeoffice sei zwar gut und schön und habe sich in der Pandemie als sinnvoll erwiesen; grundsätzlich glaubt Stürzenbecher aber an die Sinnhaftigkeit des gemeinschaftlichen Arbeitens am selben Ort, "weil da die Kreativität oft erst richtig zum Tragen kommt".

Andrea Faast von der Wirtschaftskammer Wien und der SPÖ-Gemeinderat Kurt Stürzenbecher
Andrea Faast von der Wirtschaftskammer Wien und der SPÖ-Gemeinderat Kurt Stürzenbecher führten die "politische Debatte" des Wohnsymposiums. Sie waren sich oft, aber nicht in allen Punkten einig.
Oreste Schaller

Von Moderator Eric Frey gefragt, ob es Ziel der Wiener SPÖ sei, dass die Menschen dort arbeiten, wo sie wohnen, sagte der langjährige SPÖ-Politiker: "Schon, aber wir sind Realisten und sehen, dass das nicht flächendeckend funktionieren kann." Für einen Gutteil der Menschen werde es so bleiben, dass sie zu ihrer Arbeit eine gewisse Wegstrecke zurücklegen müssen.

"Donau-Querung fehlt"

Diesbezüglich besteht für Faast aber in ganz Transdanubien, also in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt, das Problem, dass es dort zu wenige Arbeitsplätze gibt; sie nannte die Zahl von 100.000 Jobs, die man hier brauchen würde. Weil in den beiden Bezirken sehr viele Menschen leben, sorge das für gewaltige Verkehrsprobleme, "und da sieht man dann, dass in der Stadtplanung etwas nicht stimmt". Andererseits sei es auch schwierig, Betriebe in diese beiden Bezirke zu bekommen, räumte sie ein. "Viele sagen zu uns: 'Bitte nicht da drüben.'" Was ganz einfach fehle, sei eine weitere Donau-Querung, stellte sie fest – also etwa der Lobau-Tunnel.

In den rosa Zonen würde man nun zum einen gerne mehr Investments sehen "und auch brauchen", sagte Faast. Es hapere zum anderen aber auch "an der Lesart" des Fachkonzepts Produktive Stadt. "Es heißt oft: 'Da müssen wir 50 Prozent Wohnen machen.' Doch das ist falsch. Man kann auch bis zu 50 Prozent Wohnungen machen." Es hätten sich bloß "die Wohnbauträger auf diese Flächen gestürzt", mit dem Resultat, dass dort die Gewerbeentwicklungen etwas ins Hintertreffen geraten seien. Wahrscheinlich sei aber auch die Zeit seit Beschluss des Fachkonzepts noch zu kurz gewesen, eine Pandemie war bekanntlich auch dazwischen. Man müsse jetzt aber diskutieren, ob man das Fachkonzept nicht anpassen sollte. Insbesondere was den Anteil des geförderten Wohnbaus in diesen Mischzonen betrifft, forderte Faast eine weitere Reduzierung. Die Bauträger würden sich "wahnsinnig damit plagen", vor allem jetzt mit der veränderten Zinssituation.

Neue Widmungskategorie "ein ganz großer Wurf"

Für Stürzenbecher war die Widmungskategorie geförderter Wohnbau, die seit 2018 einen Anteil von zwei Dritteln an Sozialwohnungen bei größeren Widmungen vorschreibt, hingegen "ein ganz großer Wurf", seiner Ansicht nach könnten die meisten Bauträger mittlerweile auch damit leben. Er verwies außerdem darauf, dass gerade die Wiener Bauordnung novelliert wird und auch die Neubauverordnung und die Sanierungsverordnung in Überarbeitung seien. "Auch das wird ein paar offene Fragen beantworten." (Martin Putschögl, 19.10.2023)