Luftaufnahme einer Stadt in
So wichtig für die Menschheit: Straßen.
Colossal Order Ltd./Paradox Interactive

"Straßen sind Kernelemente der Stadt", heißt es gleich zu Beginn des umfangreichen Tutorials für "Cities: Skylines 2", den Nachfolger jenes "Sim City"-Klons, der von vielen Menschen hunderte Stunden gespielt wird. Weil Straßen in diesem Spiel so wichtig sind, gibt es sie gleich in allerlei Größen und Konfigurationen, von kleinen Gassen bis zu riesigen Autobahnen. Wobei größere Straßen höhere Tempolimits und mehr Verkehrskapazität bieten. Je mehr Beton, desto besser.

Das war der Punkt im mehrstündigen Test des neuen Blockbusters, an dem ich zum Kühlschrank gegangen bin und mir ein Bier aufgemacht habe. Klar, in dem Spiel geht es darum, eine Stadt aufzubauen, das geht nur schwer ohne Gebäude und Verkehrsadern. Aber es stellt sich schon auch die Frage, wie zeitgemäß es ist, wenn ein Spiel im Jahr 2023 den Individualverkehr über den öffentlichen stellt. Und in der Form geht es auch weiter.

Welche Landschaft verbauen wir heute?

So beginnt man ein neues Spiel auf jeden Fall mit ein paar Straßen in einer noch jungfräulichen Landschaft, aus einem Dorf entwickelt sich dann ein Städtchen, aus der Stadt eine Metropole. Das ist das Spielprinzip, so war es auch schon bei "Sim City" in den späten 1980er-Jahren.

Landschaften in
Berglandschaft oder Fjord: Wo breiten wir uns heute aus, und wo können wir welche Rohstoffe abbauen?
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Aus zehn unterschiedlichen Landschaftstypen – von einer Berglandschaft bis zu windigen Fjorden – kann man wählen, was man mit Gebäuden zubauen möchte, die Landschaften bieten dabei unter anderem unterschiedliche klimatische Bedingungen und natürliche Ressourcen, die man im späteren Verlauf des Spiels auch mit Industriebetrieben abbauen kann. Wem Naturkatastrophen zu lästig sind, der kann sie einfach deaktivieren. Diese Option findet sich in den Kartenoptionen gleich hinter der Auswahl, ob auf den Straßen Links- oder Rechtsverkehr herrschen soll.

Wir breiten uns aus ...

Entlang der Straßen entstehen rechteckige Felder, die bestimmten Zwecken, also Wohn-, Einkaufs- oder Industriegebieten, gewidmet werden können. Ist die jeweilige Funktion des Gebiets einmal festgelegt, rücken die Kräne an und beginnen mit dem Bau. Auf diese Weise füllt sich das Spielfeld allmählich. Ist kein Platz mehr, so kauft man gegen ausreichend Bargeld benachbartes Land, um die Ausbreitung der Stadt weiter voranzutreiben.

Recht bald muss man sich natürlich auch über Strom und Wasser Gedanken machen. Hier wird zu Beginn zur Errichtung eines Kohlekraftwerks geraten, wobei bereits relativiert wird: Das Kohlekraftwerk sei zwar eine gute Quelle für Hochspannungsstrom, "erzeugt jedoch jede Menge Verschmutzung und Lärm". Also nichts für die Nimby-Fraktion ("Not in my backyard"): Ich errichte zwar ein solches Kraftwerk, platziere es aber weit genug weg von den Einfamilienhäusern, die dem Spiel zufolge für eine höhere Zufriedenheit bei den Bewohnern sorgen als dichter besiedelte Wohngegenden. Als Alternative zum Kohlekraftwerk könnte ich zwar auch ein Windrad errichten, "die Abgabeleistung ist jedoch stark wetterabhängig", sagt mir das Spiel. Dann lieber nicht.

... und entwickeln uns weiter

Entweder lässt sich zu Beginn des Spiels einstellen, dass alle Optionen und Gebäudetypen gleich von Anfang an verfügbar sind, oder man spielt mit dem nötigen Sportsgeist und schaltet die einzelnen Optionen erst im Lauf des Spiels frei. So können in den zuvor genannten Gegenden immer größere Wohngebäude oder Shoppingmöglichkeiten errichtet werden, neue Gebäude bieten neue Spielerfahrungen.

Screenshot aus
Sorry, aber irgendwer muss dann halt doch neben den rauchenden Schloten wohnen.
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Etwa braucht es Polizeistationen, um das Verbrechen zu bekämpfen. Eine Feuerwehr, um Brände zu löschen. Krankenhäuser, welche kranke Menschen per Krankenwagen abholen. Friedhöfe und Krematorien für den Fall, dass der Krankenwagen zu spät kam. Und, und, und. Je mehr Menschen in die Stadt ziehen, desto mehr Spielelemente werden freigeschaltet, und das entsprechende System erinnert an jene "Skill Trees", die man aus Computerrollenspielen kennt: Es stehen Punkte zur Verfügung, mit denen man sich entscheidet, ob man lieber der Polizei mehr Möglichkeiten gibt oder die Chance auf die Errichtung einer Photovoltaikanlage erwirbt.

In ebendiesem System ist es nach ein paar Stunden Spielzeit übrigens auch möglich, öffentliche Verkehrsmittel in die Stadt zu integrieren. Begonnen wird mit einem Busnetz inklusive Busdepot, Busstationen und der Möglichkeit, Busrouten über die Straßen zu verlegen. Hinzu kommen Straßenbahnen, Züge sowie Schiffsverkehr. Und natürlich Flughäfen.

Infografiken, Radio und ein Twitter-Klon

Hinter "Cities: Skylines 2" steckt der schwedische Publisher Paradox Interactive. Und der ist bekannt dafür, mit Marken wie "Europa Universalis" oder "Crusader Kings" besonders knifflige und tiefgehende Spiele zu veröffentlichen, bei denen man verschiedene Faktoren im Blick haben muss und dabei nicht merkt, wie ganze Spieleabende wie im Flug vergehen. Und auch bei "Cities: Skylines 2" gibt es viel, das man als Spielerin oder Spieler beachten muss.

Dazu gehören die genannte Gebietserweiterung ebenso wie Wachstum und Zufriedenheit in der Bevölkerung. Kleine Balken zeigen an, welche Regionen als nächste mithilfe neuer Straßen angelegt werden müssen, diverse Infografiken bieten weitergehende Informationen, etwa zur Zufriedenheit, zur Versorgung mit Strom und Wasser ebenso wie zu Polizei und Feuerwehr oder auch zu den Stadtfinanzen. Es ist sogar möglich, jedes Wohnhaus einzeln anzuklicken und sich dort über Zufriedenheit und sozialen Status der Bewohner zu informieren. Wobei das nicht immer funktionieren will: Beim Klick auf ein brennendes Gebäude meldete das Spiel im Test, dass dessen Bewohner trotzdem glücklich seien. Vielleicht liegt es ja daran, dass sie reich sind.

Okay, wer reich ist, dem kann es vielleicht egal sein, wenn die eigene Bude abbrennt.
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Ihre Meinung tun die Bewohnerinnen und Bewohner außerdem über ein Social Network namens Chirper kund, dessen Logo ein blauer Vogel ist. Hier kann man sogar einzelnen Personen folgen und soll sich ein Bild von der Stimmungslage in der Bevölkerung machen können. Wobei die "Chirps" – so heißen die Statusmeldungen – mit sich oft wiederholenden Postings wie "Jede Menge Freizeit! #glücklichesleben" oder "Feiert ihr die #Sonne eigentlich genauso wie ich?" meist recht irrelevant für wichtige Entscheidungen sind. Wie im echten Leben halt, da muss man den Developern schon zur realistischen Umsetzung gratulieren.

Ähnliches gilt für den Radiosender der Stadt, dessen meist gechillte Musik ab und zu von Radiomoderatoren unterbrochen wird, die zum Beispiel ihre Meinung zu den aktuellen Immobilienpreisen kundtun. Beim ersten Mal hört man hier noch aufmerksam zu, beim wiederholten Abspielen des gleichen Audioclips fragt man sich hingegen, ob hier Personalkürzungen die Ursache für die mangelnde journalistische Qualität sind.

Technik und Systemanforderungen

All dies ist technisch allerdings beeindruckend umgesetzt. Schon nach kurzer Zeit fahren etliche Autos über die Straßen der Stadt, später kommen Busse hinzu. In den Industriegebieten rauchen die Schlote, in den Wohngebieten werden Häuser für neue Arbeitskräfte errichtet. Nachts verwandelt sich die Stadt in ein Meer aus Lichtern. Wer möchte, der kann so nah an die Häuser heranzoomen, dass er bei den einzelnen Wohnungen in die Fenster hineinschauen kann.

Skill Tree in Cities Skylines 2
Auch die Straßen können im Skill Tree weiterentwickelt werden.
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Das alles frisst natürlich ordentlich Rechenleistung, und so hat das finnische Entwicklerstudio Colossal Order nur wenige Tage vor der Veröffentlichung von "Cities: Skylines 2" vor möglichen Leistungsproblemen gewarnt: Man habe unermüdlich an der Optimierung gearbeitet, das angestrebte Ziel schließlich aber nicht erreicht. Daher soll das Spiel in den kommenden Monaten weiter optimiert werden.

Aktuell werden für "Cities: Skylines 2" die folgenden Mindestanforderungen angegeben:

Die empfohlenen Systemanforderungen für "Cities: Skylines 2" sind:

Man muss jedoch betonen, dass der Begriff "Mindestanforderungen" in diesem Fall für minimale Leistung steht. Getestet wurde das Gerät mit einem Intel Core(TM) i7-8750H mit 2.20GHz bzw. 2.21 GHz, 16 GB RAM und einer Nvidia Geforce GTX 1050 Ti. Damit ist das Testsystem weit von den empfohlenen Systemvoraussetzungen entfernt, liegt aber auch über den Mindestanforderungen.

Ergebnis: In höchsten Grafikeinstellungen entwickelte sich das Spiel mit einer Framerate von maximal fünf Frames pro Sekunde (fps) zu einer regelrechten Ruckelpartie. Stellte man alle Grafikdetails auf das Minimum oder schaltete sie gar komplett aus, waren 21 fps das höchste der Gefühle, wenn viele Objekte im Bild waren, beim Heranzoomen an Nahaufnahmen immerhin 30 fps.

Wer also volle Leistung haben will, der muss entsprechend Geld für Hardware in die Hand nehmen – oder warten, bis das Produkt ausreichend beim Kunden gereift ist.

Fazit: Wenig Neues – aber kaufen werden sie es

"Baue eine Stadt und verwandle sie in eine blühende Metropole mit dem realistischsten Stadtbauspiel aller Zeiten!", heißt es auf der Steam-Page des Spiels. "Baue in nie zuvor erlebten Größenordnungen!" Das stimmt vermutlich. "Cities: Skylines 2" bietet den Fans dieses Genres das, was sie haben wollen, nur eben noch größer, mit schickerer Grafik und generell natürlich besser. Wäre es da mutig gewesen, sich vom Fokus auf Straßen und Bodenversiegelung zu befreien und andere Wege zu suchen? Sicher. Hätte das die bestehende Community verstört? Ganz bestimmt.

Und so ist "Cities: Skylines 2" kein revolutionäres Spiel, es setzt mit dem typischen Fokus auf den Bau von Stadtteilen und Gebäudetypen wie Feuerwachen, Polizeistationen und Krankenhäusern gar den Fokus auf Elemente, die bereits seit dem ersten "Sim City" aus dem Jahr 1989 bekannt sind. Aber das ändert nichts daran, dass sich wieder viele Menschen das Spiel kaufen und hunderte Stunden damit verbringen werden. (Stefan Mey, 19.10.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: "Cities: Skylines 2" ist ab 24. Oktober ab einem Preis von 49,99 Euro erhältlich. Ein Rezensionsexemplar wurde dem STANDARD vorab zur Verfügung gestellt.