Ob Magnus Brunner unlängst auf einem längeren Segeltörn war, ist nicht überliefert. Der große Seefahrer soll er angeblich nicht sein. Allerdings dürfte er Gefallen an dem Wassersport gefunden haben. Anders lässt es sich nicht erklären, dass der Minister fast ein halbes Dutzend Mal in seiner Budgetrede am Mittwoch im Nationalrat pathetisch von Wind und Segeln sprach. "Wir können zwar den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen", sagte er einmal. Ein anderes Mal rief er dazu auf, "mit Optimismus die Segel in Richtung Zukunft" zu setzen.

Ob das der türkis-grünen Regierung mit ihrem Budget für 2024 gelungen ist? Dazu kursierten schon wenige Stunden nach Vorstellung der Eckpunkte des Haushalts für das kommende Jahr zwei unterschiedliche Erzählungen von Regierung und Opposition.

Die Sicht der Koalition ...

Aus Sicht der Koalition ist es gelungen, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Die ÖVP darf sich über neue Förderungen für ihre Kernanhängerschaft, die Unternehmer, freuen. Da ist einmal der Energiekostenzuschuss 2, für den im kommenden Jahr 1,8 Milliarden Euro budgetiert sind. Dazu kommen 1,5 Milliarden Euro, die der Finanzminister bei Bedarf abrufen kann, wenn die Energiepreise überraschend steigen. Der Energiekostenzuschuss soll bei Unternehmen höhere Strom-, Gas- und Spritpreise kompensieren und kommt vor allem mittelständischen Betrieben zugute. Für große Industrieunternehmen springt zu wenig heraus. In der Basisvariante werden pro Betrieb bis zu zwei Millionen Euro an Hilfen ausbezahlt. Weiteres Goodie: Die Körperschaftssteuer sinkt 2024 von 24 auf 23 Prozent, das wurde schon im Rahmen der ökosozialen Steuerreform vereinbart.

Gut 4000 Seiten umfasst das gesamte Budgetdokument, angeblich bringt das Monstrum zwölf Kilo auf die Waage. Finanzminister Magnus Brunner präsentierte am Mittwoch die Eckpunkte.
Gut 4.000 Seiten umfasst das gesamte Budgetdokument, angeblich bringt das Monstrum zwölf Kilo auf die Waage. Finanzminister Magnus Brunner präsentierte am Mittwoch die Eckpunkte.
APA/ROBERT JAEGER

Die Grünen können ihrerseits eine Aufstockung der Mittel für den Klimaschutz für sich verbuchen. Vor allem im Bereich der Gebäudesanierung. Das Klimaschutzministerium selbst sieht die Ausgaben um gut elf Prozent steigen im kommenden Jahr, was angesichts einer Inflation von sieben bis acht Prozent real ein Zuwachs ist, wenn auch kein riesiger. Deutlich angehoben werden die Ausgaben für Kesseltausch.

Wermutstropfen aus Sicht des kleineren Koalitionspartners: Im Rahmen eines Kompromisses mit dem Koalitionspartner mussten die Grünen ihre Forderungen nach einem Komplettausstieg bei Öl- und Gasheizungen bis 2023 respektive 2040 aufgeben.

Angst vor Pensionistinnen und Pensionisten

Was beide Seiten, also ÖVP und Grüne, eint, ist, dass im kommenden Wahljahr keine der Parteien den Pensionistinnen und Pensionisten wehtun wollte. So gibt es für diese Gruppe ein großes Zuckerl. Die staatlichen Zuschüsse zum Pensionssystem steigen im kommenden Jahr insgesamt um fast 20 Prozent auf 16,6 Milliarden Euro. Was auch beide Seiten eint: Förderungen, um Industrieunternehmen die grüne Transformation zu erleichtern. Das passt in die grüne und die türkise Erzählung. 400 Millionen Euro stehen dafür im kommenden Jahr bereit, wobei bis zu 125 Millionen davon schon im kommenden Jahr ausbezahlt werden sollen – der Rest kann beantragt werden. In der ORF-"ZiB 2" am Mittwoch erklärte Brunner den Schritt durch die Herausforderungen der demografischen Entwicklung Österreichs. Das Pensionsantrittsalter zu erhöhen, lehnte der Minister ab. Wichtiger sei es längeres Arbeiten, etwa durch steuerliche Anreize, attraktiver zu machen.

Österreichs Budget auf einen Blick
Österreichs Budget auf einen Blick.
STANDARD

Dazu kommen noch mal 160 Millionen Euro 2024 für die Förderung und den Aufbau neuer Produktionskapazitäten, etwa im Bereich der Mikrochiperzeugung. Das Ganze ist ein Teil einer EU-Initiative: Auch die Kommission wird Mittel im Rahmen des "Chips Act" zuschießen. In Summe will der Staat hier bis 2027 fast eine halbe Milliarde Euro lockermachen, um neue Produktionen nach Österreich zu holen.

Deutlich mehr Geld gibt es auch für den Finanzausgleich, das sind Mittel, die an die Länder gehen. Das soll etwa für den Ausbau der Kinderbetreuung verwendet werden.

Mehr Geld für Standort, Unternehmen und Klimaschutz, dazu Investitionen in Kinderbetreuung: So sieht also die Erzählung aus Sicht der Regierung aus.

... der Blickwinkel der Opposition

Die Story der Opposition geht ganz anders. Die Neos sehen ein rückwärtsgewandtes Budget. Während die Ausgaben für Pensionen steigen und unter Einberechnung der Ausgaben für die Pensionen der Beamten bereits ein Viertel der gesamten Staatsausgaben verschlingen, kommt es bei den Bildungsausgaben real, also unter Einrechnung der Inflation, zu einer Kürzung. Die Ausgaben werden zudem stärker als bisher schuldenfinanziert. Das Defizit steigt auf 2,7 Prozent und wird damit höher ausfallen als heuer. Schmerzlich dabei: Die Staatsausgaben für Zinsen steigen. Die Zinskosten entsprechen derzeit einem Betrag von 1,2 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung, diese Summe steigt bis 2027 auf zwei Prozent des BIP an. Dieses Geld fehlt dann für andere Investitionen.

Nachhaltige Budgetpolitik sehe anders aus, so die Neos. Die FPÖ kritisierte ebenfalls eine "große Steuergeld-Verbrennungsaktion" für die Klientel der Regierungsparteien. Die SPÖ wiederum ist der Ansicht, dass die Regierung Geschenke an Vermögende verteilt, während die Menschen mit der Teuerung alleingelassen werden. Das kritisierte deren Budgetsprecher Kai Jan Krainer am Mittwoch. Im Parlament wird erst am Donnerstag übers Budget gestritten, Krainer nutzte eine kurze Rede am Mittwoch im Plenum, um auszuteilen.

"Ein paar Akzente"

Was sagen Expertinnen? Margit Schratzenstaller vom Wifo sieht "ein paar Akzente" bei Zukunftsinvestitionen, etwa für die erwähnte grüne Transformation oder bei Mehrausgaben für Kinderbetreuung. Auch die Universitäten sieht sie finanziell abgesichert. Insgesamt sei das aber zu wenig an Akzenten für die Zukunft. Für Klimatransformation werde es etwa deutlich höhere Investitionen brauchen. Weil die Defizite auch in den kommenden Jahren hoch bleiben sollen, fehle der Spielraum, diese Mehrausgaben in Zukunft tätigen zu können. Hier müsste die Politik umsteuern, etwa indem klimaschädliche Subventionen, die jährlich bis zu 5,7 Milliarden Euro kosten, zurückgefahren werden. Weiter geht der Segeltörn beim Budget mit der Debatte im Plenum am Donnerstag, zwischen 21. und 24. November wird die Beschlussfassung erwartet. (András Szigetvari, 19.10.2023)