"Fall down", singen Miley Cyrus und Will.I.Am inbrünstig, während es für mich steil bergauf geht. "One, two, one, two, bleib hier dran", feuert mich die Trainerin Charlotte an. Ich lehne mich über meinen Lenker, versuche, den Rhythmus zur Musik zu finden und ein paar Minuten lang einen nicht näher spezifizierten Berg zu erklimmen. "Das Herz wummert, genieß den Moment", sagt Charlotte, die ebenfalls in die Pedale tritt, aber gleichzeitig immer noch lächeln kann und fragt: "Bist du bei mir?" Ja, Charlotte, und ich könnte nicht einmal absteigen, wenn ich wollte, weil ich keine Ahnung hab, wie ich mit den Clip-in-Schuhen vom Rad komme. Wo bleibt denn jetzt das Gipfelkreuz?

Laufen oder Radeln mit garantiert niemals grantiger Begleitung – das kann man nun auch in Österreich testen.
Laufen oder Radeln mit garantiert niemals grantiger Begleitung – das kann man nun auch in Österreich testen.
Peloton

Das gibt es nur in unserer Vorstellung, genau wie den Berg. Nur die Anstrengung, die ist real. Ich sitze in einem brettlebenen Hotelzimmer im hügeligen sechsten Bezirk in Wien und teste einen Rad-Ergometer des amerikanischen Unternehmens Peloton, das vor wenigen Tagen den Marktstart in Österreich gefeiert hat. Das Rad kommt mit einem Bildschirm, auf dem ich mir den "2010s Ride" mit Trainerin Charlotte ausgesucht habe. In der 15-minütigen Strampelei höre ich Musik aus dem letzten Jahrzehnt – etwa von Taylor Swift und Miley Cyrus –, während Charlotte plaudert, radelt und uns immer wieder auffordert, den Widerstand mittels eines kleinen Knaufs zu erhöhen, um den Berg zu simulieren.

Neu ist so ein Hometrainer natürlich nicht. Spinning-Räder haben viele seit Jahrzehnten zu Hause herumstehen, auch wenn sie letztendlich häufig zu Wäscheständern degradiert werden, wenn die Motivation schwindet. Die Frage, wie man nicht nur kurz einmal Sport macht, sondern dauerhaft dranbleibt, ist so etwas wie der goldene Gral der Fitnessbranche.

Ausfahrt mit Falco

Bei Peloton glaubt man, die Lösung gefunden zu haben. 90 Prozent der Menschen, die sich eines der hochpreisigen schwarz-roten Räder gekauft haben, seien auch nach einem Jahr noch aktiv, heißt es vonseiten des Unternehmens, das mittlerweile auch Laufband, Rudergerät und Onlinekurse wie Yoga und Meditation im Angebot hat. Das führt man auf professionelle Live- und On-Demand-Videos, aber auch auf eine starke Community zurück. Zwar sportelt jeder allein daheim vor sich hin – aber wer will, kann anderen, die bei den Live-Workouts dabei sind, High Fives schicken oder sich mit ihnen messen. Und ein Shoutout von der Trainerin ist in der Community so etwas wie ein Ritterschlag.

Das Laufband funktioniert nach demselben Prinzip wie das Bike.
Das Laufband funktioniert nach demselben Prinzip wie das Bike.
Peloton

Bei der Qualität der Videos spiele man in einer anderen Liga als der Mitbewerb, ist Martin Richter, Geschäftsführer von Peloton Deutschland, überzeugt: "Das ist eine Hollywoodproduktion." Die deutschsprachigen Videos – mehr als 5.000 davon gibt es bereits – werden in einem Studio in London mit sechs Kameras gedreht, das Casting der Trainerinnen und Trainer sei sehr streng. Sie müssen nicht nur fit genug sein, während der Berg-etappe noch mühelos vom Ausräumen der Spülmaschine erzählen zu können, wie Charlotte das in ihrem Video gerade macht, sondern "sie müssen auch vor der Kamera funktionieren und entertainen", sagt Richter.

Zum Marktstart in Österreich gibt es nun ein Video mit Falco-Musik– leider ohne Wiener Grant. Schlechte Laune gibt es nicht in den Fitnessvideos. Man kann sich regelrecht vorstellen, was die Musiklegende dazu zu sagen hätte. Vermutlich aber nichts, was in einem Peloton-Video Platz hätte. Die Musik spiele eine wichtige Rolle, sagt Richter: Die On-Demand-Klassen können nach Musikgenres gefiltert werden, sie reichen von Metal über Pop, Punk, Musicals und sogar Klassik. Eines ist dabei klar: Einen Berg gibt es so gut wie immer.

Was sagen die Nachbarn?

Corona hat dem amerikanischen Unternehmen Peloton Aufwind gegeben. In den USA stellten sich in Zeiten geschlossener Fitnessstudios viele ein Rad ins Wohnzimmer und hielten sich mit den Onlinekursen fit. Auch an der Börse radelte man in nie dagewesene Höhen. Doch mit dem Ende der Pandemie setzte eine Talfahrt ein, weil viele Kundinnen und Kunden ihr Radtrikot an den Nagel hängten und ins Fitnessstudio zurückkehrten.

Tausende Mitarbeiter wurden in den letzten Jahren in den USA entlassen, Geräte zurückgerufen – und dann starb auch noch Mr. Big in der Sex and the City-Fortsetzung an einer Herzattacke nach einer Einheit auf dem Rad. Seit dem Vorjahr gibt es einen neuen CEO, der das Ruder herumreißen soll – etwa indem die Räder auch Hotels für ihre Fitnessräume und Unternehmen als Goodie für die Mitarbeiter schmackhaft gemacht werden.

"Es gab nach Corona einen Dip in der Nachfrage", räumt Deutschland-Chef Martin Richter ein. Er sieht das Unternehmen nun aber gut aufgestellt. Wie das Geschäft in Deutschland, wo Peloton seit vier Jahren vertreten ist, läuft, will man nicht verraten. Ein eigenes Studio oder ein Flagshipstore ist hierzulande nicht geplant. Auch österreichische Trainer gibt es aktuell keine. Elf kommen aber aus dem deutschsprachigen Raum, gestreamt werden können zudem sämtliche internationale Klassen. Die Räder können hierzulande bei Amazon und Sport-Tiedje erworben werden. Der größte Haken an Peloton: Billig ist es nicht. Das günstigste Rad kostet 1.445 Euro, die neueste Version liegt bei 2.500 Euro, das Laufband 3.800 Euro – das sind Beträge, bei denen die meisten Hobbysportlerinnen schlucken. Dazu kommen 39 Euro Mitgliedsgebühr pro Monat, die pro Haushalt anfallen.

Und dann ist Fitness daheim auch eine Frage des Platzes. Das weiß jeder, der während Corona das Fitnessstudio zwischen Wohnzimmercouch und Küchenzeile unterbringen musste. Gut zweieinhalb Quadratmeter sind für das Rad notwendig. Dafür wird es für keinen Streit mit den Nachbarn sorgen, weil es ganz leise surrt. Sollte man sich trotz der Clip-in-Schuhe vom Rad befreien können, sollte man aber nicht unbedingt laut klackernd herumspazieren, wenn die Nachbarn zu Hause sind. Außer die wollen mal mit auf den Berg. (Franziska Zoidl, 20.10.2023)