Daaaaali
Édouard Baer und Jonathan Cohen spielen den wunderlichen Dalí, gefangen in surrealen Traumschleifen.
Viennale

Quentin Dupieux führt ein Doppelleben. Als Filmemacher firmiert der Franzose unter seinem bürgerlichen Namen und hat bereits ein gutes Dutzend alles andere als bürgerliche Filme gedreht. Fans elektronischer Musik ist er jedoch als Mr. Oizo bekannt, frei nach "Oiseau" (fr. für Vogel). Seine ebenfalls recht erfolgreiche Musikkarriere reicht zurück in die 1990er-Jahre und die Myspace-Ära mit Alben wie Moustache (Half a Scissor). Über die Musikvideos seiner Tracks wuchs der bärtige Franzose mit dem Vogel aber schnell hinaus, wie die diesjährige Viennale erneut zeigt.

Störenfriede und Gags

Seine Kammerspielkomödie Yannick ist der diesjährige Abschlussfilm. Mit kompakten 65 Minuten bleibt genug Zeit für Preisverleihung und Dankesworte. Nur für Theatermenschen dürfte Dupieux’ in Locarno präsentiertes Werk zum regelrechten Horrorfilm geraten. Im Zentrum steht nämlich ein störender Zuschauer, der mit dem Bühnenstück so gar nicht zufrieden ist und zu drastischen Mitteln greift. Regisseur Dupieux und sein Ensemble haben eine diebische Freude an der Satire auf den bürgerlichen Kunstkonsum, diesmal sogar ganz ohne surrealistische Schleifen.

Yannick (2023) - Trailer
Unifrance

Die gibt es dafür in seinem zweiten, in Venedig präsentieren Viennale-Film zur Genüge. Daaaaaalí! (doppeltes Triple-A-Rating!) stellt uns durch die Quentin-Brille den überselbstbewussten Surrealisten Salvador Dalí vor, der sich beharrlich dem Interview mit einer Journalistin (Anaïs Demoustier) entzieht – samt verschachtelter Traum-im-Traum-Sequenzen, die Dupieux’ Vorbild Luis Buñuel stolz gemacht hätten.

Die trockenen Running Gags sind Geschmackssache, mit 75 Minuten übertreibt es Daaaaaalí! aber mit den Wiederholungen nicht. Daran könnten sich einige Regiekollegen im Viennale-Programm noch ein Scheibchen abschneiden. Lediglich visuell hätte sich ein Film über den verspielten Malerfürsten mehr austoben dürfen. Abgesehen von einem Dalí-Gemälde ist hier nämlich von zerfließenden Uhren und dürren Elefanten weit und breit nichts zu sehen.

Power-Couple

Surrealistisch unterwegs ist der 49-jährige Franzose schon seit seinem internationalen Durchbruch mit seinem dritten Film Rubber über einen mörderischen Autoreifen mit telekinetischen Kräften. Und immer erledigt Dupieux Regie, Kamera und Schnitt gleich selbst, während seine Frau Joan Le Boru fürs Set-Design verantwortlich ist.

Quentin Dupieux
Absurd: Quentin Dupieux wurde 2019 sogar zum französischen Kunstritter berufen.
Viennale

Seit dem absurden Polizeifilm Au poste! veröffentlichte Dupieux immerhin schon sechs weitere Filme: Le Daim – Deerskin, Mandibules, Incroyable mais vrai und Fumer fait tousser, plus die beiden heurigen. Gemeinsam haben sie einen Low-Budget-Zugang und eine ungeheure Lust am verspielten Just-do-it-Spirit.

Dafür wurde der Pariser 2019 sogar zum Officier de l’Ordre des Arts et des Lettres berufen. Schade nur, dass sein DJ-Alter Ego Mr. Oizo dieses Jahr nicht über die Viennale Turntables flattert. (Marian Wilhelm, 25.10.2023)