Von der großen Entschärfungsaktion des US-Präsidenten im Nahen Osten ist der Solidaritätsbesuch in Israel am Mittwoch übriggeblieben: Den geplanten Gipfel in Amman, bei dem sich Joe Biden mit dem jordanischen König Abdullah, dem ägyptischen Präsidenten Abdelfattah al-Sisi und dem Präsidenten der Palästinenserbehörde, Mahmud Abbas, beraten wollte, haben die Araber nach der Explosion im Al-Ahli-Arab-Krankenhaus abgesagt. Aber die US-Diplomatie, für die Außenminister Antony Blinken im Dauereinsatz ist, geht natürlich über die Geste Israel gegenüber hinaus.

US-Präsident Joe Biden bei seinem Rückflug aus Israel in der Air Force One. Die USA denken an die Zeit danach.
AFP/BRENDAN SMIALOWSKI

Auch wenn die USA Israels militärisches Vorgehen voll unterstützen, wird angeblich sogar an Szenarien gearbeitet, was im Gazastreifen geschehen müsste, um Israel von einer vollen Bodeninvasion – mit vielen eigenen Opfern und vielen auf palästinensischer Seite, die die Lage in arabischen Staaten destabilisieren könnten – abzuhalten. Einer Militäroperation, die die Geiseln in Hamas-Hand vielleicht auch nicht überleben würden.

Arabische Vormundschaft

Was durchsickert, ist jedoch vage und betrifft eigentlich immer nur eine Post-Hamas-Ära. Die USA stellen sich demnach eine Art arabische Vormundschaft oder Treuhandschaft, namentlich Ägyptens und Jordaniens, über den Gazastreifen vor. Als Instrument der Verwaltung sollte die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter Mahmud Abbas fungieren. So unbeliebt die PA im Westjordanland auch ist, wünscht sie sich laut Umfragen doch eine Mehrheit im Gazastreifen nach sechzehn Jahren Hamas-Gewaltherrschaft zurück.

Die Palästinenserbehörde wurde im Rahmen des Oslo-Friedensprozess in den 1990ern geschaffen, nach verlorenen Wahlen 2006 wurde sie 2007 von der Hamas gewaltsam aus dem Gazastreifen verdrängt. Aber die PA-Institutionen sind auch im Westjordanland schwach und teilweise gelähmt; auch Abbas selbst, 2005 gewählt, ist längst nicht mehr demokratisch legitimiert.

Auch Geld wird es brauchen

Ägypten und Jordanien haben beide mit großen internen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen – und einer öffentlichen Meinung, die sich nach dem Angriff auf Israel teilweise als offen pro Hamas erwiesen hat. Die USA stellen sich aber ohnehin einen größeren arabischen Überbau vor, ins Spiel kommen da Katar und Saudi-Arabien, die auch ihre Geldbörsen weit auftun müssten. In den regionalen Plan soll auch die Türkei eingebunden sein. Wie man den Iran und dessen starke Stellvertretergruppen in der Region zum Schweigen bringt – werden militärische Drohungen der USA, Kriegsschiffe vor der Mittelmeerküste, reichen? –, bleibt offen.

Die Grenzen zwischen Gazastreifen und Israel sollen von einer dritten Partei abgesichert, eine starke Pufferzone soll aufgebaut werden. Da ergibt sich schon wieder die Frage, wer sie kontrollieren sollte. Die Uno hat Israel in einer solchen Rolle stets abgelehnt.

Den USA ist die Teilhaberschaft der Region am Wiederaufbau des Gazastreifens wichtig, ein internationales Projekt, das aber regional legitimiert und durchgeführt werden sollte. Sie warnen die Israelis eindringlich davor, in den Gazastreifen – den sie 2005 geräumt haben – zu gehen, um dort zu bleiben. Nur mit einer arabischen Legitimation für eine Ordnung danach könne man auch jene Teile der Bevölkerung, die das "Widerstands"-Narrativ der Hamas mittragen, an Bord bringen, ist die Überzeugung dahinter. Parallel zu einem Wiederaufbau sollen Wahlen stattfinden und ebenso ein neuer Friedensprozess mit Israel wiederaufgebaut werden, mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung. Hehre Pläne, für die man viel Zukunftsoptimismus braucht. Wahlen lösen bekanntlich wenig, wenn sie nicht auf einem gesunden politischen Prozess basieren.

Sehr schwammig sind die Informationen darüber, wie man glaubt, die Hamas entwaffnen, ihre Infrastruktur unter Kontrolle und ihren harten Kern ausschalten zu können. Wie ihr Raketenpotenzial (und das des Islamischen Jihad) ausschalten, wie der Untertunnelung Herr werden? Ebenso wird zum Thema Geiselbefreiung immer wieder nur die Möglichkeit eines Gefangenenaustauschs genannt. Das ist derzeit höchstens in beschränktem Rahmen – etwa Alte und Kinder gegen minderjährige inhaftierte Palästinenser in Israel – vorstellbar. Dazu braucht man Katar und die Türkei, die mit Hamas-Führungsfiguren im Gespräch sind. (Gudrun Harrer, 19.10.2023)