Die österreichische Neutralität – der Beschluss des Neutralitätsgesetzes am 26. Oktober 1955 ist Anlass für den Nationalfeiertag – wird von der Bevölkerung weiterhin hochgehalten.
APA/HELMUT FOHRINGER

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat bei der österreichischen Bevölkerung das Verständnis dafür wachsen lassen, dass das Budget für das Bundesheer – wie im aktuellen Bundesvoranschlag 2024 vorgesehen – erhöht wird. In der aktuellen Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD sprechen sich 54 Prozent der Befragten dafür aus, dass Österreichs Militär mehr Geld bekommt, 35 Prozent halten das bisherige Budget für ausreichend, und zehn Prozent sind für eine Kürzung. Noch vor drei Jahren waren 44 Prozent für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben und etwa gleich viele (43 Prozent) für deren Einfrieren.

Bei einer Umfrage im Mai 2022, also wenige Wochen nach dem russischen Angriff, hatte sich bereits eine Mehrheit für einen höheren Wehretat gezeigt – und diese Mehrheit ist weitgehend stabil.

Erklärvideo von 2022: Wieso Österreich neutral ist und warum das aktuell wieder zur Debatte steht.
DER STANDARD

FPÖ-Wähler wollen mehr

Die Zustimmung zu mehr Geld für das Bundesheer ist vor allem bei älteren Befragten und bei erklärten Gefolgsleuten der FPÖ besonders hoch. Unter Grünen gibt es eine Mehrheit für stagnierende Militärausgaben. Und die wenigen Befürworter von Budgetkürzungen finden sich am ehesten unter den parteipolitisch unentschiedenen Personen.

Leicht gestiegen – auf inzwischen 62 Prozent – ist der Anteil jener Wahlberechtigten, die allgemein verlangen, dass Österreich mehr für seine Sicherheit tun muss. Auch hier sind es Befragte, die älter als 50 Jahre alt sind, die besonders drängen, dasselbe gilt für die Wählerschaften von ÖVP, Neos und FPÖ.

Neutralität

Die österreichische Neutralität – der Beschluss des Neutralitätsgesetzes am 26. Oktober 1955 ist Anlass für den Nationalfeiertag – wird von der Bevölkerung weiterhin hochgehalten: Vor die Alternative gestellt, ob Österreich an der Neutralität festhalten soll oder sich solidarisch an einem gemeinsamen Sicherheitssystem beteiligen soll, sagen 69 Prozent, dass Österreich neutral bleiben soll. Nur 21 Prozent sind für ein gemeinsames Sicherheitssystem, zehn Prozent sind unentschieden. Die FPÖ-Wählerschaft steht beinahe geschlossen zur Neutralität, ein kollektives Sicherheitssystem findet am ehesten bei deklarierten Neos- und Grünen-Wählerinnen und -Wählern Anklang.

Market-Politikforscher David Pfarrhofer sagt dazu: "Wir stellen seit 20 Jahren Fragen zur Neutralität – und bekommen seit 2003 annähernd gleiche Antworten, die Stimmung ist also sehr stabil. Sie werden sich vielleicht erinnern, dass der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Neutralität mit Mozartkugeln und Lipizzanern verglichen hat – diese Sichtweise hat er auch in der ÖVP nicht durchsetzen können."

Allerdings haben unterschiedliche Bundesregierungen immer wieder betont, dass Österreich seine Neutralität stets zeitgemäß interpretiere. Und das wird auch von der Bevölkerung wahrgenommen. Market stellt dazu folgende Frage: "Ganz prinzipiell wird ja immer wieder gesagt, dass sich Österreichs Neutralität geändert hätte. Wie sehen Sie das: Hat sich die Neutralität in den letzten zehn oder 15 Jahren geändert, oder ist die Neutralität alles in allem gleich geblieben?" Darauf sagen 56 Prozent, dass sich die Neutralität geändert habe, nur 31 Prozent sehen sie unverändert.

Diese dynamische Interpretation der Neutralität lässt sich ebenfalls im Zeitvergleich betrachten: Auch 2001, als diese Frage erstmals von Market gestellt wurde, sagten 58 Prozent, die Neutralität habe sich verändert. Damals lag der EU-Beitritt, dessen Vorbereitung Anlass zu heftigen Neutralitätsdiskussionen geliefert hatte, erst wenige Jahre zurück.

Haltung gedreht

Während der Rückblick auf die Entwicklung der Neutralität stabil erscheint, hat sich der Blick auf deren Zukunft sehr verändert. DER STANDARD ließ dazu fragen: "Wird Österreich in zehn bis 15 Jahren noch ein neutrales Land sein, oder glauben Sie, dass Österreich in zehn bis 15 Jahren kein neutrales Land mehr sein wird?" Darauf sagten 2001 noch 58 Prozent, dass Österreich in Zukunft (aus damaliger Perspektive etwa im Jahr 2016) nicht mehr neutral sein würde, nur 35 Prozent glaubten an einen Fortbestand der Neutralität. Gegen Ende der 2010er-Jahre hat sich die Erwartungshaltung gedreht. Jetzt sagt die Mehrheit (53 Prozent), dass Österreich auch in 15 Jahren noch neutral sein würde, nur 32 Prozent glauben an ein Ende der Neutralität. Ironie der Geschichte: Es sind ausgerechnet die Anhänger der ÖVP, die seinerzeit die Neutralität infrage gestellt hatte, die heute besonders an deren Zukunft glauben. (Conrad Seidl, 23.10.2023)