Maria Hofer beschäftigt sich schon lange mit Arsen.
Lisa Edi

Maria Hofer ist fleißigen STANDARD-Lesenden mit Langzeitgedächtnis bestens bekannt, seit sie 2017 mit ihren Kolleginnen Stefanie Sargnagel und Lydia Haider ein Reisetagebuch über den gemeinsamen Marokko-Aufenthalt im ALBUM verfasst hat.

Die "Berichterstattung" in der Kronen Zeitung, für die der satirisch überzeichnete Beitrag ein gefundenes Fressen darstellte, wenn man ihn nur ganz wörtlich nahm, bot die Steilauflage für einen Shitstorm gegen die Autorinnen in sozialen Medien: Kiffende Frauen, die Babykatzen treten? Und das auch noch auf Kosten der Steuerzahlenden?

"Babykatzengate"

Gegen das an Skurrilität kaum zu überbietende reale "Babykatzengate" scheinen die fiktiven Ereignisse in Hofers zweitem Roman, Arsen, geradezu hyperrealistisch:

Ein Bergdorf stilisiert sich zur letzten Bastion totaler Authentizität, zum Sehnsuchtsort für all jene, die sich nach der Einfachheit vergangener Zeiten sehnen, nach harter Arbeit und Gemeinschaft, äh, Community. Arndorf zieht eine wilde Mischung von Touristinnen, Aussteigern, Bloggerinnen, Selbstoptimierern, konsumaffinen Kapitalismuskritikerinnen, Esoterikern und experimentellen Archäologen an.

Maria Hofer, "Arsen". € 25,50 / 320 Seiten. Leykam, Wien 2023
Verlag

Gnadenlos und gewitzt

Hofer beschreibt diese Charaktere lakonisch, gnadenlos und sehr gewitzt: "Die Esoterikseminarteilnehmer haben die Vergangenheit modetechnisch verinnerlicht. Martialisch hängen vereinzelt dünne Fellfetzen von ihren Schultern, manche haben ihre Gesichter bemalt. Sie haben sich, obwohl das nicht explizit vereinbart wurde, nicht geduscht, frisiert oder gekämmt." In diesen satirischen Beschreibungen – und das Buch ist eigentlich eine Aneinanderreihung solcher – glänzt Hofer, auch wenn dabei ein paar gar zu flapsige Ausdrucksweisen und Redundanzen hätten vermieden werden können.

Ob es die Mechanismen des Multi-Level-Marketing sind oder der Mythos Tracht – Hofer spürt Heucheleien zielsicher auf und seziert sie mit Elan. Die Autorin teilt zwar auch gegen spezifisch Österreichisches aus, die Zeitgeist-Phänomene, die im Zentrum des Romans stehen, sind aber globale. Ob die Bezeichnung Anti-Heimat-Roman, wie es auf dem Buchrücken heißt, hier also wirklich greift oder ob es sich dabei nicht genau um dieselbe Sorte von verkaufsfördernder Marketingmaßnahme handelt, die der Roman kritisiert, sei dahingestellt. Es tut Hofers herrlichen Tiraden ohnehin keinen Abbruch.

Was allerdings schon etwas stört, ist, dass das titelgebende Arsen, das in Arndorf abgebaut wird, erst ziemlich spät eine Rolle in Hofers Buch zu spielen beginnt. Bereits in einer 2013 erschienenen Reportage für Vice setzte sich Hofer intensiv mit dem Crystal Meth der steirischen Rossknechte, wie der lesenswerte Artikel betitelt war, auseinander. Bei der Dosierung des Arsens in ihrem Roman hätte Hofer noch "optimieren" können – sie weiß ja, wie das funktioniert. (Amira Ben Saoud, 22.10.2023)