Martha Butbul alias Jazz Gitti: "Eine gute Erziehung hatte ich schon genossen, aber ich habe sie halt nie angewendet."
privat

Als Kind las sie relativ zeitig den Don Quijote de la Mancha, "und zwar gleich dreimal, bis ich alles verstanden habe, der hat mich fasziniert". Die Mutter schickte sie, obwohl sie jüdische Wurzeln hatte, auf eine Klosterschule, "weil sie ein gut erzogenes Kind haben wollte, was ihr leider nicht gelungen ist. Das heißt, eine gute Erziehung hatte ich schon genossen, aber ich habe sie halt nie angewendet." In der stürmischen Zeit ihrer Jugend hatte sie keine Lust zum Lesen, als Wirtin und Musikerin dann schon wieder: "Da las ich eine Zeitlang so Lebensratgeberromane, aber da hab ich mir meistens gedacht: Das weiß ich doch eh schon alles! Die Wahrheit mit Büchern bei mir ist: Wenn es so langatmig wird und philosophisch, dann hör ich auf damit."

Positive Bilanz

Darum war sie bei ihrer eigenen Biografie auch sehr darauf bedacht, dass es möglichst spannend bleibt, und das schönste Kompliment, das sie nach Veröffentlichung hören durfte, lautete: "‚Heast Gittl, ich hab gar nicht mehr aufhören können mit dem Lesen, ich wollte wissen, wie das weiterging.‘ Das Buch heißt ja Ich hab gelebt, und noch bin ich ja nicht gestorben. Aber pass auf, mit 77 machst du schon eine Bilanz: Wie lange noch, was wirst du noch wollen? Dann denk ich mir wieder: Ah, scheiß drauf, ich genieß einfach jeden Tag! Ich schlaf ja eh so gerne, und dann stell ich mir halt vor, dass tot sein wie schlafen sein wird."

"Des, wos i zurzeit wirklich gern les, heißt Einhundert Samstage, das ist vom Michael Frank, der hod des aufg’schrieben, was ihm die Stella Levi erzählt hat. Die ist 1923 auf Rhodos im jüdischen Viertel La Juderia geboren worden und lebt immer noch, weil sie die Deportation nach Auschwitz überlebt hat, und wie das alles vor sich gegangen ist, das ist für mich interessant." Sie lebte ja selbst zehn Jahre lang in Israel, und was sie heute von dort in den Nachrichten hören muss, "das ist ein Wahnsinn. Wir haben arabische Freunde gehabt, da gab’s keinen Unterschied. Die Israelis und die Palästinenser könnten dort miteinander leben wie die Maden im Speck. Stattdessen hat sich dort so viel Hass aufgebaut ..." (Manfred Rebhandl, 21.10.2023)