Der Tod des ehemaligen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek, der am Freitag bekannt geworden ist, hat zu zahlreichen Reaktionen geführt. Sowohl in der Fachwelt als auch in der Politik zeigten sich viel Persönlichkeiten tief betroffen; Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) etwa ließ wissen, dass er Pilnacek als "herausragenden Juristen kennen und schätzen" gelernt habe. Auch Justizministerin Alma Zadić von den Grünen sprach von einem "fachlich äußerst versierten Juristen", dessen viel zu früher Tod sie erschüttere.

Pilnacek auf seinem Weg ins Parlement zum ÖVP-U-Ausschuss, in dunklem Anzug und mit Sonnenbrille
Der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek im Mai 2022 beim ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss.
APA/HELMUT FOHRINGER

Schon am Freitag hatte Sebastian Kurz (ÖVP) die Nachricht von Pilnaceks Ableben öffentlich thematisiert. Im Prozess wegen falscher Zeugenaussage im Wiener Straflandesgericht sprach der angeklagte Ex-Kanzler nach einer Verhandlungspause von seiner Betroffenheit. Die beiden Staatsanwälte von der WKStA und der Richter schlossen sich ihm an, sie alle haben eine gemeinsame, teils konfliktreiche Vergangenheit mit dem Ex-Sektionschef.

Kurz: "Wahrer Diener des Staates"

Am Samstag meldete sich Kurz dann noch einmal in einem schriftlichen Statement, das er auch in sozialen Medien verbreitete, ausführlicher zu Wort. Pilnacek sei "unter anderem durch die Veröffentlichung privater Nachrichten diskreditiert worden", behauptet er. Pilnacek selbst habe sich solcher Methoden nie bedient. Pilnacek habe, so Kurz, "keine Scheu davor gehabt, mit seiner Meinung anzuecken", die Auseinandersetzungen innerhalb der Justiz seien "aber in eine Schlacht ausgeartet". Kurz' Diagnose: In Österreich würden "manche so behandelt, als lebten wir noch im Mittelalter, wo Menschen an den Pranger gestellt" würden. Pilnaceks Expertise und sein fundiertes Wissen hätten zu einer Stärkung des österreichischen Justizsystems geführt, er sei ein "wahrer Diener des Staates" gewesen.

In der Gerichtsverhandlung am Freitag hatte Kurz auch noch dazu gesagt, er habe noch "gestern Abend" mit Pilnacek telefoniert. Was da Thema war, war bis Sonntagmittag nicht in Erfahrung zu bringen.

Die Nähe zu türkisen Spitzenpolitikern war es auch gewesen, die den damaligen Sektionschef in große Turbulenzen gebracht hatte. So hatte sich Pilnacek nach der Hausdurchsuchung beim damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bei dessen damaligem Kabinettschef erkundigt, wer "Gernot" vorbereite, und von einem "Putsch" durch die WKStA gesprochen. Für die Bundesdisziplinarbehörde war das eine "schwerwiegende Dienstpflichtverletzung", die sie im heurigen April mit einer Geldstrafe in der Höhe von 11.000 Euro sanktionierte. In zwei anderen Punkten – da ging es etwa um den Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses – wurde er disziplinarrechtlich freigesprochen.

Suspendierung, Ermittlungen, Freispruch

Allerdings war der Spitzenbeamte seit Februar 2021 suspendiert. Auslöser dafür war der Vorwurf, er habe eine Hausdurchsuchung bei Unternehmer Michael Tojner vorab verraten. Tojner-Verteidiger ist Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), der eng mit Pilnacek befreundet war. Dieses Verfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck geführt, die Pilnaceks Chats auswertete. Zufallsfunde daraus lösten weitere Ermittlungsverfahren aus. In einer Causa wurde Pilnacek rechtskräftig freigesprochen, andere Verfahren liefen bis zuletzt – durch seinen Tod enden sie nun.

Wäre die Causa rund um Tojner zu Pilnaceks Lebzeiten eingestellt worden, hätte die Bundesdiziplinarbehörde seine dem Vernehmen erst vor kurzem bestätigte Suspendierung erneut beurteilen müssen und hätte sie möglicherweise aufgehoben. Das Justizministerium unter Zadić hatte Pilnacek einst Gesprächsbereitschaft zu Modalitäten seiner Rückkehr ins Ministerium im Palais Trautson signalisiert, die Rede sei von einer Rolle als "Fachexperte" oder einer Karenzierung gewesen. Allerdings soll Pilnacek dies abgelehnt und einen Wechsel in die Anwaltschaft überlegt haben.

Sein plötzlicher Tod hat vor allem in der Justiz alte Wunden aufgerissen und politische Konflikte neu entfacht. Viel Zorn richtet sich auf Zadić, die Pilnacek ja einst durch die Teilung seiner Supersektion (Straflegistik und Fachaufsicht für alle Staatsanwaltschaften) "entmachtet" hatte. In die Gegenrichtung wird der Vorwurf laut, Kurz und Teile der Politik und Medien würden Pilnaceks Tod instrumentalisieren, etwa in ihrem Kampf gegen die WKStA. Die ermittelt ja gegen etliche (Ex-)Politiker, gegen die ÖVP selbst und auch gegen die größten Boulevardmedien "Krone", "Heute" und "Österreich". Für alle hier Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 22.10.2023)