Illustration des Mega-Pliosauriers
Pliosaurier zählten zu den erfolgreichsten Meeresräubern ihrer Zeit. Die Illustration zeigt den Lorrainosaurus, den ältesten Mega-Pliosaurier, im Mitteljura-Meer, das vor 170 Millionen Jahren das heutige Nordfrankreich bedeckte.
JOSCHUA KNÜPPE

Mit einem gewaltigen, zahnbewehrten Kiefer hat ein neu beschriebenes Meeresreptil einst Schrecken im Ozean verbreitet. Das rund 170 Millionen Jahre alte Tier aus dem Zeitalter der Dinosaurier gehöre zu den ältesten bekannten Mega-Pliosauriern, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal "Scientific Reports". Der Gigant wurde von dem international besetzten Wissenschaftsteam einer neuen Gruppe, genannt Lorrainosaurus, zugeordnet.

Der Fund lasse darauf schließen, dass die Herrschaft gigantischer räuberischer Pliosaurier früher als bisher angenommen begonnen haben muss. "Lorrainosaurus ist somit eine entscheidende Ergänzung unseres Wissens über Meeresreptilien aus einer Zeit in der Dynastie der Dinosaurier, die noch nicht vollständig verstanden ist", sagt der an der Studie beteiligte Benjamin Kear, Kurator für Wirbeltierpaläontologie und Forscher für Paläontologie am Museum of Evolution der schwedischen Universität Uppsala.

Die Orcas der Urzeit

Bekannt ist, dass Pliosaurier zu den erfolgreichsten Meeresräubern ihrer Zeit gehörten und eng mit den berühmten Langhals-Plesiosauriern verwandt waren. Einzelne Arten konnten mehr als zehn Meter lang werden. "Sie waren ökologische Äquivalente der heutigen Orcas und haben eine Reihe von Beutetieren gefressen, darunter tintenfischähnliche Kopffüßer, große Fische und andere Meeresreptilien", erklärt Kear. Die nun beschriebene Spezies war wohl etwa sechs Meter lang, hatte einen etwa 1,3 Meter langen Kiefer mit großen, kegelförmigen Zähnen und einen torpedoförmigen Körper. Die Tiere bewegten sich mit vier flossenartigen Gliedmaßen fort.

Lorrainosaurus, der Mega-Räuber der Dinosaurierzeit, dreht auch auf Social Media seine Runden. 
Sven Sachs/Twitter

Sensationsfund im Straßengraben

Die Fossilien des Lorrainosaurus wurden 1983 in einem Straßengraben in der Nähe von Metz in Lothringen im Nordosten Frankreichs gefunden. Doch erst jetzt wurden sie von Paläontologen des Naturkunde-Museums Bielefeld, des Instituts für Paläobiologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, des Naturhistorischen Museums in Luxemburg und der Universität Uppsala detailliert untersucht. "Lorrainosaurus war einer der ersten wirklich großen Pliosaurier", erklärt Sven Sachs, Forscher am Naturkunde-Museum Bielefeld, der die Studie leitete. Der nun beschriebene Gigant habe eine Dynastie räuberischer Megameeresreptilien begründet, die rund 80 Millionen Jahre lang die Ozeane beherrschten.

Pliosaurier tauchten vor über 200 Millionen Jahren auf, blieben jedoch unbedeutende Bestandteile mariner Ökosysteme, bis sie sich plötzlich zu riesigen Spitzenprädatoren entwickelten. Die Identifizierung von Lorrainosaurus als einer der frühesten Megaraubtier-Pliosaurier zeige, dass diese Kreaturen unmittelbar nach einer bahnbrechenden Umstrukturierung der marinen Raubtierökosysteme an der Grenze vom frühen zum mittleren Jura vor etwa 175 bis 171 Millionen Jahren entstanden seien, so die Studienautoren.

Dieses Ereignis wirkte sich tiefgreifend auf viele Meeresreptiliengruppen aus: Es kam zu einem weltweiten Rückgang anderer räuberischer Meeresreptilien. Auch gegenüber dem fischähnlichen Ichthyosaurier, einem Verwandten der alten Meereskrokodile, dominierte der neu identifizierte Mega-Pliosaurier. Die geborgenen Knochen und Zähne von Lorrainosaurus stellen Überreste eines einst vollständigen Skeletts dar, das zerfiel und durch Strömungen und Aasfresser über den alten Meeresboden verteilt wurde. (APA/red, 23.10.2023)