Bas Devos Here
Die Moosforscherin Shuxiu hilft gelegentlich im China-Imbiss ihrer Tante aus.
© Viennale

Grauer Beton und grünes Gewächs führen in Here eine artenübergreifende Beziehung. An den Eisenbahnschienen entlang wuchert Gestrüpp, das in einen kleinen Wald übergeht, selbst in den kahlsten Steinwüsten findet zwischen Pflastersteinen moosiges Leben seine Wege.

Auch die Menschen, denen der flämische Regisseur Bas Devos durch die Peripherie Brüssels folgt, sind Teil dieser nachbarschaftlichen Koexistenz. Einmal findet der rumänische Arbeiter Stefan in seiner Tasche ein paar Samenkörner. Wie sie dorthin gekommen sind, kann er sich nicht erklären.

Gespräche wie Samen

Stefan ist Teil einer Gruppe migrantischer Bauarbeiter. Seine Abreise in den Heimaturlaub steht bevor, das Gemüsefach im Kühlschrank aber ist noch voll. Also verkocht er alles zu einem Topf Suppe, die er im Laufe des Films an Freunde verteilt. Beim gemeinsamen Essen an ihren Arbeitsplätzen – eine leere Hotelrezeption, eine umzäunte Wiese vor der Werkstatt – wehen die Gespräche ähnlich wie die Samen in die verschiedensten Richtungen: Ein alter Freund sitzt im Knast, eine Kindheitserinnerung an Glühwürmchenfangen, ein Narkosetraum. Dabei geht es mehr um den gemeinschaftlichen Raum, der im Teilen von Erfahrungen entsteht, als um die Verdichtung des Erzählmaterials zu dramaturgischen Fäden.

Here by Bas Devos | Trailer
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Die Forscherin Shuxiu, die im China-Imbiss ihrer Tante aushilft, befasst sich mit den ersten Pflanzen, die auf der Erde gewachsen sind und die die Spezies Mensch wohl um Zeiten überleben werden: den Moosen. Close-ups auf Waldböden und mikroskopische Ansichten laden in die geheimnisvolle Welt der Bryologie (Moosforschung) ein, zu der bald auch Stefan eine Tür findet.

Schönheit der Umgebung

Here, in so empfindsamen wie unprätentiösen Bildern gedreht, ist ein kleines Wunder von Film, das mit den Entfremdungen in der Welt versöhnt. Devos entdeckt Schönheit in Moosbetten ebenso wie in Unterführungen und von Strommasten durchzogenen Landstrichen. Einmal erzählt Shuxiu, wie sie nach einem tiefen Schlaf die Wörter für ihre Umgebung verloren hatte und sich in einem tierähnlichen Zustand wiederfand. "Ich war dort, und ich war hier. Alles wurde fließend, und ich gab mich der Einheit von zehntausend Dingen hin." (Esther Buss, 25.10.2023)