Laut Bundeskriminalamt ist die Farbe des gefälschten Pens dunkler als beim Original. Auch das Sichtfenster, der Dosiseinstellring und die Länge der Nadeln unterscheiden sich.
APA/BK

Wien/Innsbruck/Salzburg – Vergangene Woche ist bekannt geworden, dass eine Patientin nach der Anwendung eines mutmaßlich gefälschten Diabetesmittels namens Ozempic mit schweren Gesundheitsproblemen in einem Spital behandelt werden musste. Über ihre Anwälte stellte sie nun klar, dass sie das Medikament nicht online bestellt, sondern von ihrem behandelnden Arzt bekommen habe. Ihr Schönheitschirurg habe ihr Ozempic legal als Abnehmmittel verkauft. Die Frau war weder adipös noch zuckerkrank, heißt es sinngemäß in einer Stellungnahme der Kanzlei. Das Mittel Ozempic habe sie zur Gewichtsreduktion erhalten. "Sie will, dass andere gewarnt werden, dass sie es über eine legale Quelle bekommen hat", sagte ihre Juristin der APA. Das Bundeskriminalamt berichtete am Montag von "mehreren Betroffenen".

Demnach ist es "nach der Anwendung gefälschter Produkte bereits zu Gesundheitsgefährdungen gekommen, die ohne sofortige ärztliche Behandlung zum Tode hätten führen können", informierte das Bundeskriminalamt. Die betroffene Charge wurde von den Personen bei dem in Österreich ansässigen Arzt bezogen, hieß es seitens der Ermittler. Die Spritzen können auf legalem Wege lediglich von Ärzten über Apotheken bezogen werden oder über Ärzte, welche über eine Hausapotheke verfügen. In diesem Falle dürften die Spritzen über einen anderen Weg bezogen worden sein.

"Nach derzeitigem Ermittlungsstand könnten noch Bestände der betroffenen Charge im Umlauf beziehungsweise durch andere Ärzte ebenfalls über diesen Weg bezogen worden sein", warnte das Bundeskriminalamt potenziell weitere Patientinnen und Patienten. Da eine Überprüfung von selbst besorgten Spritzen aus unseriösen Quellen nicht möglich ist, sollten diese entsorgt werden. Sollte das Arzneimittel von einem Arzt bezogen worden sein, sollten Betroffene umgehend mit diesem Kontakt aufnehmen, so das Bundeskriminalamt.

Staatsanwaltschaft Steyr ermittelt gegen Firma

In der Causa ermittelt nun auch die Staatsanwaltschaft Steyr. Es habe bereits sechs Hausdurchsuchungen gegeben, bestätigte Behördensprecherin Julia Rauscher einen Bericht des Ö1-"Mittagsjournal" am Dienstag. Eine Firma, über die der Vertrieb des Mittels gelaufen sein soll, habe ihren Sitz im Gerichtssprengel Steyr, erklärte sie.

Die Durchsuchungen haben bei Privatpersonen und in Betriebsräumlichkeiten stattgefunden. Über das Ergebnis liege der Staatsanwaltschaft noch kein Bericht vor. Es sei auch nicht klar, ob noch gefälschte Mittel in Umlauf seien. "Wir sind noch ganz am Anfang", hieß es. Als Geschädigte sei der Staatsanwaltschaft vorerst nur jene Frau bekannt, die den Fall ins Laufen brachte.

Weder Diabetes noch Adipositas

Die Salzburgerin musste im September nach der Anwendung des Mittels im Krankenhaus behandelt werden. Der Frau geht es mittlerweile wieder gut. Allerdings werde erst abgeklärt, ob ein Dauerschaden entstanden sei, sagte ihre Anwältin. Sie betonte auch, dass "bei der Mandantin nie eine echte Erkrankung vorgelegen" habe. Die Salzburgerin habe von ihrem Arzt, einem Salzburger Schönheitschirurgen, erstmals im Jänner das Mittel Ozempic zur Gewichtsreduktion erhalten. "Ungeachtet der Tatsache, dass meine Mandantin weder an Diabetes noch an Adipositas noch an einer Begleiterkrankung, bedingt durch ihr leichtes Übergewicht, leidet, hat ihr ein Facharzt der Schönheitschirurgie das Medikament Ozempic in seiner Praxis zu einem damals bereits sehr hohen Preis verkauft", heißt es in einer Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei. Und: "Bereits dieser Off-Label-Use war medizinisch überhaupt nicht indiziert bei meiner Mandantin."

Unterzuckerung und Krampfanfall

Mehrmals soll die 31-Jährige das richtige Medikament erhalten haben, bis ihr am 12. September das "mutmaßlich gefälschte Arzneimittel" übergeben wurde. Am 20. September landete die Frau mit einer Unterzuckerung und einem Krampfanfall im Krankenhaus. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) informierte vergangenen Donnerstag darüber, dass diese schwerwiegenden Nebenwirkungen ein Indiz dafür sind, dass in dem Produkt fälschlich Insulin anstelle des Wirkstoffs Semaglutid enthalten war. Der Preis für das Mittel habe sich zuletzt auch verdoppelt, berichtete die Anwältin. Fast 500 Euro hätte die Frau pro Packung dafür bezahlt.

Nach dem Krankenhausaufenthalt wurde die Salzburgerin laut Rechtsvertretung sowohl vom Arzt als auch dessen Zulieferer "ständig kontaktiert". Der Zulieferer berichtete, dass er das Produkt am 6. September dem Arzt geliefert und zwei Tage später einen Rückruf initiiert habe. "Da meine Mandantin aber überhaupt nicht von ihrem Arzt und auch nicht von seinem Zulieferer umgehend über einen Rückruf informiert wurde, wird meine Mandantin nunmehr sämtliche ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel im zivil- und strafrechtlichen Sinn ausschöpfen und möchte mit dieser medialen Richtigstellung insbesondere andere Personen warnen, denen möglicherweise auch über eine legale Quelle, nämlich über die Konsultation bei einem Arzt, dieses höchstwahrscheinlich gefälschte Medikament ausgehändigt wurde", wurde in der Stellungnahme betont. Die Frau hat sich dem Strafverfahren auch als Privatbeteiligte angeschlossen. Das BASG betonte bereits vergangene Woche, dass es keine Hinweise gebe, dass die gefälschten Produkte von legalen Apotheken an Patientinnen und Patienten abgegeben wurden.

Ozempic-Fälschungen in mindestens 14 Ländern

Das rezeptpflichtige Arzneimittel Ozempic enthält den Wirkstoff Semaglutid und ist für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes zugelassen. Der Wirkstoff Semaglutid in Ozempic kann auch als Mittel gegen starkes Übergewicht eingesetzt werden. Auch der Hersteller Novo Nordisk hatte bereits mitgeteilt, dass es einen deutlichen Anstieg an illegalen Onlineverkäufen gebe. Es kam durch die zweckfremde Verwendung bereits zu einer begrenzten Verfügbarkeit von Ozempic für Diabetikerinnen und Diabetiker.

Laut Europäischer Arzneimittelbehörde (EMA) in Amsterdam sind in verschiedenen EU-Staaten und Großbritannien gefälschte Ozempic-Diabetes-Pens aufgetaucht. Die Spritzhilfen mit Labels in deutscher Sprache stammten von Großhändlern in Österreich und Deutschland. Laut einem Europol-Mitarbeiter geht es sowohl um gefälschte als auch gestohlene Produkte. Fälschungen von Ozempic sind bereits in mindestens 14 Ländern aufgetaucht, neben Österreich und Deutschland auch in Großbritannien, Ägypten und Russland.

Der gefälschte Pen unterscheidet sich farblich vom Original, das Blau ist dunkler als bei diesem, informierte das Bundeskriminalamt am Montag. Auch das Sichtfenster ist anders. Bei der Fälschung ist es komplett durchsichtig, beim Original mit grauer Farbe umkleidet. Ebenfalls unterschiedlich ist der Dosiseinstellring. Dieser lässt sich bei der Fälschung ausfahren, was beim Original nicht möglich ist. Die beiliegenden Nadeln weisen beide eine Länge von vier Millimeter auf, die Beschriftung der Originalnadel lautet 32g, die der Fälschung ist mit 31g beschriftet". Hinweise hinsichtlich nicht über Apotheken bezogene Arzneimittel können unter Bundeskriminalamt@bmi.gv.at gemeldet werden. (APA, red, 24.10.2023)