The Woman on the Beach
Joan Bennett als verführerische "Woman on the Beach".
Viennale

Die Geister der Vergangenheit ziehen alle in ihren Bann: Scott Burnett, einen Leutnant der US-Küstenwache, den Traumata aus dem Zweiten Weltkrieg in Albträumen heimsuchen, aber auch das einander in Hassliebe verbundene Ehepaar Peggy und Tod Butler.

Während die geheimnisvolle Peggy in einer handgreiflichen Auseinandersetzung Schuld auf sich geladen hat, klammert sich der erblindete Maler Tod an seine Bilder von früher und an seine Ehefrau, die einen Großteil ihrer Zeit am Strand bei einem Schiffswrack verbringt. Dort im Nebel begegnet Peggy auch Scott, der für eine Affäre mit ihr seine patente Verlobte versetzt.

Fiebriger Cocktail aus Film noir und Melodram

Jean Renoir servierte die Obsessionen dieses Triangels 1947 in The Woman on the Beach als fiebrigen Cocktail aus Film noir und Melodrama. Für seinen letzten Film, den der Regisseur im Exil in Hollywood drehte, stand dem großen Humanisten des Weltkinos eine Idealbesetzung zur Seite.

Joan Bennett, die Darstellerin von Peggy, hatte zuvor bereits in Filmen von Fritz Lang, darunter im ähnlich betitelten The Woman in the Window, mit heiserer Stimme als Femme fatale betört. Ein weiterer Film noir, Reckless Moment, von einem anderen europäischen Meisterregisseur im US-Exil, Max Ophüls, sollte folgen. Hauptdarsteller Robert Ryan (On Dangerous Ground) erwies sich wiederholt als Meister der Verkörperung gebrochener, zerquälter Männerfiguren.

The Woman on the Beach
The Woman on the Beach
Robert Ryan und Joan Bennett: Sie betört mit heiserer Stimme als Femme fatale, er ist ein Meister zerquälter Männerfiguren.
Viennale

Desaströse Previews

Zwar hatte Renoir für The Woman on the Beach von den RKO-Studios freie Hand zugesichert bekommen. Nach desaströsen Previews musste der Regisseur seinen Film aber kürzen, umschneiden und neue Sequenzen drehen. Bei Kritik und Publikum fiel das Ergebnis dennoch durch.

Die problematische Produktionsgeschichte prägte die Rezeption auf Jahre hinaus. Dabei sind die knapp 72 Minuten von The Woman on the Beach knackig und spannend inszeniert. Selten wurde eine Femme fatale so differenziert gezeichnet. Den ganzen, symbolisch stark aufgeladenen Film durchzieht eine traumartige, halluzinatorische Atmosphäre.

Preview Clip | Woman On The Beach | Warner Archive
Warner Archive

Der Strand erscheint wie eine Landschaft gepeinigter Seelen. Renoir lässt ständig Grenzen verschwimmen. Er entzieht seinen Film gängigen Schemata und einer eindeutigen Zuordnung zu Genre- oder Autorenfilm. Gerade das macht The Woman on the Beach heute so reizvoll. Dass es sich nicht nur um eine Fußnote in Renoirs’ für Meisterwerke wie La Grande Illusion gerühmte Filmografie, sondern um eine eigentümliche, höchst sehenswerte Filmperle handelt, sollte die restaurierte Fassung, die jetzt zu sehen ist, endgültig besiegeln. (Karl Gedlicka, 31.10.2023)