Wien – Am Donnerstag ist es wieder so weit: Der österreichische Nationalfeiertag, an dem der Beschluss des Neutralitätsgesetzes gefeiert wird, geht einher mit seinem alljährlichen Prozedere im Zentrum Wiens – der Leistungsschau des Bundesheers.

Kinder krabbeln in Kampfpanzer, Offiziere werben für das Bundesheer, und das politische Machtzen­trum am Ballhausplatz öffnet Tür und Tor für Besucherinnen und Besucher. Das alles findet wie jedes Jahr auf dem Heldenplatz statt – einem Ort mit einer besonders brisanten Vergangenheit.

Das Äußere Burgtor am Heldenplatz.
Das Äußere Burgtor mit der Krypta als Gedenkort ist umstritten.
IMAGO/Isabelle Ouvrard

Immer wieder wurde der Heldenplatz zur Schaustellung politischer Macht genutzt, auch von den Nazis. Wer die "Helden" am Heldenplatz sind, würden die jeweiligen Initiatoren mit Denkmälern immer aufs Neue festlegen, betont Richard Hufschmied vom Institut für Zeitgeschichte der Uni Wien. Trotz seiner brisanten Vergangenheit fehle ein Gesamtkonzept für den Heldenplatz, sagt der Wissenschafter. Er sei in seiner Vergangenheit sozusagen "stecken geblieben".

So argumentierte auch die prominente, kürzlich verstorbene Forscherin Heidemarie Uhl, die sich der Forschung rund um den Heldenplatz verschrieben hatte. Ein "klares Bekenntnis zur Republik" gebe es am Heldenplatz nicht, sagte Uhl.

Video: Bundesheer-Leistungsschau heuer mit erhöhter Terrorwarnstufe.
APA/bes

Ein Spannungsverhältnis

Warum das so ist, betont Hufschmied im Gespräch mit dem STANDARD: "Auf dem Platz befinden sich die ehemalige Residenz des Kaisers, ein vom Dollfuß-Regime erbautes Heldendenkmal und heutige demokratische Einrichtungen. Der Heldenplatz befindet sich damit in einem Spannungsverhältnis zwischen zeitgemäßem Erinnerungsort und unreflektierter Vergangenheit."

Das zeige nicht zuletzt der berühmte "Hitlerbalkon" an der Neuen Hofburg. Der Umgang damit ist bis heute umstritten. Von dort aus hielt Adolf Hitler 1938 kurz nach dem "Anschluss" Österreichs ans NS-Reich eine Rede vor hunderttausend jubelnden Menschen. Darauf folgten der Zweite Weltkrieg und die Verfolgung von Jüdinnen und Juden mit vielen Millionen Toten. Der Heldenplatz ist laut Historikerinnen deshalb untrennbar mit der österreichischen Geschichte des Nationalsozialismus verwoben.

Der berühmte
Der "Hitlerbalkon" ist für die Öffentlichkeit nicht zugängig.
APA/ Roland Schlager

Heute ist der Balkon nicht öffentlich zugänglich. Wer die Sonderausstellungen im Haus der Geschichte besucht, kann den Balkon zumindest von oben sehen. Die Direktorin des Museums, Monika Sommer, wünscht sich jedenfalls eine Nutzung. "Es braucht eine intensive Beschäftigung damit", sagt Sommer.

Unweit davon befindet sich das imposante Äußere Burgtor, das von den Habsburgern errichtet und unter dem diktatorisch regierenden Kanzler Engelbert Dollfuß 1934 in ein Heldendenkmal umgestaltet wurde. Seit Jahrzehnten wird in der Krypta der gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege gedacht.

Umstrittenes Gedenken

Das dortige Gedenken ist ebenfalls Gegenstand von Debatten. Teile der Wehrmacht waren an Hitlers Vernichtungskrieg beteiligt, zudem fand man 2012 in der Krypta eine nationalsozialistische Huldigungsschrift. "Schon Adolf Hitler hat in der Krypta am Tag der Anschlussrede einen Kranz niedergelegt", betont außerdem Hufschmied.

Als Gegenstück zur Krypta gibt es jedenfalls im Burgtor seit 1965 ein Denkmal für den NS-Widerstand im sogenannten Weiheraum. Zudem legt das offizielle Österreich seit dem Fund in der Krypta dort keine Kränze mehr ab.

Erst seit 2014 gibt es am Rande des Heldenplatzes – am Ballhausplatz – ein eigenes Denkmal, das explizit den Verfolgten der NS-Militärjustiz gewidmet ist. Für Hufschmied braucht es aber ein "gesamtstaatliches Denkmal der Republik", also ein deutliches demokratisches Zeichen auf dem Heldenplatz.

Das Prinz-Eugen-Reiterdenkmal auf dem Wiener Heldenplatz
Das Prinz-Eugen-Reiterdenkmal auf dem Wiener Heldenplatz wurde von den Habsburgern errichtet.
Andreas Stockinger

Zwar gebe es schon ein Staatsgründungsdenkmal im Schweizer Garten, dieses sei aber "zu unbekannt." Auch Sommer könnte sich ein neues "Republik-Denkmal" auf dem Heldenplatz vorstellen, denn: "Der Heldenplatz ist ein vulnerabler und signalhafter Ort der österreichischen Geschichte und Gegenwart."

Wie zeitgemäß eine Militärschau auf diesem historisch belasteten Platz heute noch ist, ließen beide Expertinnen unbeantwortet. Es sei aber legitim, dass sich ein demokratisches Heer der Bevölkerung präsentieren könne, sagt Hufschmied. (Max Stepan, 24.10.2023)