Knapp vier Jahre nachdem die rasante Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus im chinesischen Wuhan ihren Anfang genommen hatte, rückte die Corona-Krise im Alltag vieler Menschen wieder in den Hintergrund. Die klimatologischen und ökologischen Veränderungen auf der Welt bereiten aber das Milieu, aus dem sich neue globale Krisen ergeben können. Wie damit umzugehen ist und was sich zur Vorbereitung tun lässt, wurde kürzlich bei einer hochkarätigen Tagung von österreichischen Forschenden in Los Angeles, Kalifornien, diskutiert.

Waldbrand
Die Zerstörung von Ökosystemen und der Verlust von Lebensräumen tragen nicht nur zum Klimawandel bei, sondern erhöhen auch das Risiko für künftige Pandemien. Schutzmaßnahmen haben sowohl klimatisch wie auch gesundheitlich positive Auswirkungen.
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Nach all den Mühen, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat, würde man jedenfalls meinen, dass wir einiges gelernt haben und für eine künftige Pandemie besser vorbereitet sind. Möglicherweise ist aber das Gegenteil der Fall. Davon geht jedenfalls Florian Krammer aus. Der Professor für Impfstoffkunde an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York hat mit seiner Expertise in der Pandemie breite Bekanntheit erlangt.

Pandemien rechtzeitig stoppen

Beim alljährlichen Treffen Austrian Research & Innovation Talk (ARIT) der österreichischen Forschenden, die in Nordamerika tätig sind, ließ er mit einer ernüchternden Einschätzung aufhorchen: "Eine der Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist, wie wir mit dem Risiko für künftige Pandemien umgehen." Bis zu seiner Pensionierung rechnet der 41-jährige Wissenschafter mit zwei bis drei weiteren Pandemien. "Aus technologischer Sicht sind wir wirklich gut darin geworden, auf Pandemien zu reagieren, aber wir sind immer noch nicht gut darin, sie vorherzusagen und sie im Grunde zu stoppen, bevor sie auftreten", sagt Krammer.

mRNA-Impfung
Technologischer Fortschritt wie mRNA-Impfungen geben uns das Rüstzeug in die Hand, uns vor künftigen Pandemien besser schützen zu können.
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Was die gesellschaftliche Komponente angeht, befindet Krammer aber, dass wir für eine künftige Pandemie weniger gut gerüstet sind, als wir es vor Corona waren. "Es ist sogar noch schlimmer", sagt der Virologe. Zu tun hat das vor allem mit den gesellschaftlichen Verwerfungen durch die Corona-Pandemie. Sowohl in den USA wie auch in Europa und anderen Teilen der Welt gebe es eine große Gruppe in der Bevölkerung, die den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung skeptisch gegenübersteht. Teilweise würde sogar zu Gewalt gegriffen, um der Ablehnung von Maßnahmen Nachdruck zu verleihen. "Das ist ein Problem, das wir überwinden müssen", sagt Krammer.

Gesellschaftliche Skepsis

Wenn wir erneut vor einer Situation stünden wie im Frühjahr 2020, würden noch weniger Menschen Maßnahmen wie Lockdowns oder Masken mittragen, befürchtet Krammer. "Die Leute würden nicht mitspielen und die Entscheidungen befolgen, daher glaube ich, dass wir für eine künftige Pandemie schlechter vorbereitet sind als damals."

Dass in Zukunft mit noch mehr Infektionskrankheiten und womöglich auch Pandemien zu rechnen ist, hat mehrer Gründe. Einerseits wird das virologische Geschehen dadurch begünstigt, dass die Weltbevölkerung nach wie vor wächst – eine Entwicklung, die auch noch in den kommenden Jahren anhalten wird. Weiters werden zur Nahrungsmittelproduktion weltweit immer mehr Nutztiere gehalten. "So wird die Schnittstelle zwischen Tieren, von denen viele dieser Patogene stammen, und den Menschen immer größer", sagt Krammer.

Florian Krammer
Der Österreicher Florian Krammer ist Professor für Impfstoffkunde an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York.
Credit: Sebastian Krammer

Darüber hinaus sind die Zerstörung von Lebensräumen und der voranschreitende Klimawandel ein großer Faktor beim Ausbruch von Infektionskrankheiten, "insbesondere, wenn es um durch Mücken oder Insekten übertragene Krankheiten geht", sagt Krammer.

Umdenken bei Forschenden

Um sich für künftige Krisen besser zu rüsten, gebe es derzeit auch ein Umdenken bei Klimaforscherinnen und Klimaforschern, sagt Kevin Schwarzwald, Doktorand in Earth and Environmental Sciences an der Columbia University in New York. Im Rahmen von ARIT wurde er mit einem Ascina Award von Wissenschaftsminister Martin Polaschek, Präsident des Wissenschaftsfonds FWF Christof Gattringer und Ascina-Präsident Dietrich Haubenberger prämiert.

"Wir befinden uns in der Klimaforschung aktuell an einem sehr interessanten Punkt", sagt Schwarzwald. "Phänomene wie Klimaangst sind auch für viele Klimaforschende von Bedeutung." Auch aus diesem Grund würden sich immer mehr Forschende mit der Frage beschäftigen, wie sie ihre Forschung für die Gesellschaft nutzbar machen könnten. Als Folge dieses Nachdenkprozesses ergibt sich teilweise auch ein neuer Forschungsfokus: Während in den vergangenen Jahrzehnten Ausmaß und Auswirkungen des Klimawandels im Vordergrund standen, würden sich zuletzt immer mehr Forschende mit Anpassungsstrategien befassen, berichtet Schwarzwald.

Risiken kommunizieren

Der springende Punkt sei einmal mehr: "Wie bringen wir die Leute dazu, uns zuzuhören?", sagt Schwarzwald. Diese Frage betreffe nicht nur Klimaforschende, sondern auch Virologinnen und Virologen, betont Krammer. "Wir sagen im Grunde ununterbrochen, dass die nächste Pandemie kommen wird, aber bis vor kurzem hat uns niemand zugehört."

Die Wissenschaft müsse besser darin werden, Risiken zu kommunizieren und sie politischen Entscheidungsträgern und der Bevölkerung näherzubringen. Von Vorteil sei zumindest, dass viele Maßnahmen, die dem Klimaschutz dienen, auch dafür nützlich sind, künftige Pandemien einzudämmen – wie etwa der Schutz von Lebensräumen, eine Begrenzung der Erwärmung durch Treibhausgasreduktionen und generell ein intaktes Ökosystem. (Tanja Traxler aus Los Angeles, 25.10.2023)