In Our Day Hong Sangsoo
Die ehemalige Schauspielerin (vorne: Kim Minhee) in Hong Sangsoos "In Our Day" hasste es, die Texte anderer auswendig zu lernen.
Viennale

Das Motto des südkoreanischen Regisseurs Hong Sangsoo könnte, wie Pierre-Emmanuel Finzi im Vorwort eines Büchleins über den Filmemacher schreibt, aus Robert Bressons Notizen zum Kinematographen stammen: "Ein kleines Sujet kann Vorwand sein für vielfältige und tiefe Kombinationen. Meide die zu weiten oder zu entfernten Sujets, wo nichts dich warnt, wenn du dich verirrst. Oder aber nimm davon nur, was in dein Leben vermengt sein könnte und aus deiner Erfahrung kommt."

Konzentrierte Geschichten, die sich zwischen Menschen entspinnen, die sich nie besonders gut kennen, bestimmen seit den späten 1990ern Hong Sangsoos Filme. Es sind Begegnungen zwischen Filmemachern und ihren Bewunderern, Dichterinnen und ihren Leserinnen, Schauspielerinnen und Elevinnen oder auch zwischen Freunden, die sich lange nicht gesehen haben.

Ja, ja, der Alkohol

Die Distanz macht den Reiz der anfangs recht steif wirkenden Zusammenkünfte aus – spätestens bis zum obligatorischen Ess- und Trinkgelage, mithilfe dessen die Dämme gesellschaftlicher Höflichkeitsfloskeln brechen. Die Wundermittel Sake, Bier oder Makgeolli (ein milchiger Reiswein) lösen die Zungen, und die menschlichen Seiten, die so an den Tag kommen, sind urkomisch, schonungslos ehrlich und oft philosophisch.

Berlinale - Berlin International Film Festival

Fast jedes Jahr stellt Hong Sangsoo, dessen Œuvre nun um die 30 Filme zählt, zwei Neulinge auf der Viennale vor. Meist sind diese sehr kurz. 61 Minuten dauert Mul-an-e-seo (Im Wasser). Die Kamera begleitet einen angehenden Regisseur, seinen Kameramann und eine Schauspielerin auf Inspirationsreise auf der Insel Jeju. Oft ist das Bild so unscharf, dass man meinen könnte, Gerhard Richter hätte mit seinem Pinsel darüber gewischt. Dann entspinnt sich ein Film im Film, der ganz sanft über die Wegwerfgesellschaft reflektiert.

In Our Day misst 84 Minuten. Hongs Lebensgefährtin Kim Minhee spielt darin eine verschlafene Ex-Schauspielerin, die einer jungen Frau nicht viel Rat erteilen kann, aber gerne die dicke Katze ihrer Freundin füttert. Dazwischen ist eine zweite Geschichte geflochten: Ein Dichter, der bei den jungen Leuten angesagt ist, bekommt Besuch von einer Filmemacherin und einem Bewunderer – und wird von ihnen dazu verleitet, wieder Alkohol zu trinken. Mehr braucht es nicht. (Valerie Dirk, 26.10.2023)