Laila Bachtiar wurde 1971 geboren, mit 19 zog sie nach Gugging.
NÖ Museum Betriebs GmbH, Maria Ziegelböck

Im Proberaum des ORF-Radio-Symphonieorchesters zahlte sie der Reinigungskraft 50 Schilling, um den Teppich bemalen zu können. Laila Bachtiar (*1971) stammt aus einer Künstlerfamilie, ihre Mutter ist Cellistin. Schon früh malt sie auf Papier, auf Wänden oder eben auf Teppichen. 1990 kommt sie mit 19 Jahren ins Haus der Künstler nach Gugging.

Dort widmet man ihr jetzt erstmals eine umfassende Ausstellung. Ihre Arbeiten stehen im Zentrum der Schau Abstrakt.!? Zwischen Figuration und Abstraktion, die damit ein zentrales Thema der Gugginger Kunst behandelt. Die künstlerische Leiterin Nina Ansperger zieht diese am Œuvre der Künstlerin auf. Das ist aus mehreren Gründen eine kluge Wahl: Zum einen zählt Bachtiar zu den Erfolgreichsten und Produktivsten der aktuellen Künstlergeneration, zum anderen ist sie die einzige Frau, die im Haus der Künstler je einen umfangreichen Werkkomplex geschaffen hat.

Schrittweise Abstrahierung

Da scheint es logisch, Bachtiars Zeichnungen mit vier Positionen der ersten, männlichen Generation in einen Dialog zueinander zu stellen. Vier Kapitel illustrieren ihre künstlerische Entwicklung: Zunächst ist da die schrittweise Abstrahierung ihrer figurativen Arbeiten, zu sehen sind anthropomorphe Gestalten, die sie zum Teil bis zur Unkenntlichkeit ausschraffiert hat.

Laila Bachtiar
Laila Bachtiars Umrisszeichnungen entstehen oft in wenigen Minuten, die dichten Schraffuren hingegen nehmen wochenlange Arbeit in Anspruch.
Sammlung Bettina Bogner

Erich Zittra treibt es ihr gegenüber an die Spitze, indem er seine Figuren zunehmend radikal übermalt, bis nur noch Linien übrig bleiben. Ein Wechselspiel mit Rudolf Horaceks ikonischem Gemälde Horacek Rudolf in Mannswörth markiert den einzigen Abschnitt, in dem die Ausstellung eindeutig figurativ bleibt – das ist nicht dem Zufall geschuldet, so zählte das Zeichnen eines Menschen lange zu den zentralen Therapieaufgaben in Gugging.

Der zunehmenden Verdichtung und der endgültigen Abstraktion sind die Kapitel drei und vier gewidmet, in denen ihre Arbeiten mit jenen von Rudolf Liemberger und Philipp Schöpke korrespondieren. Besonders deutlich wird dabei die Liniendichte, die Bachtiar ab 2003 in ihren Zeichnungen entwickelt hat. Umrisszeichnungen entstehen bei ihr oft in wenigen Minuten, während sie sich daraufhin meist wochenlang mit den Schraffuren beschäftigt.

Sakrales Strahlen

Da einige der Bleistiftzeichnungen recht dunkel ausfallen und ihre Wirkung in den fensterlosen Museumsräumen sonst kaum entfalten könnten, wurde ein Lichtkonzept entwickelt, das den Arbeiten beinah einen sakralen Charakter verleiht: Sie strahlen, als würden sie von hinten beleuchtet, und legen so jeden einzelnen Bleistiftstrich, den die Künstlerin angefertigt hat, offen.

Das spielt auch in das kuratorische Konzept hinein, denn Laila Bachtiars Arbeitsprozess ist ein immer wiederkehrendes Thema der Schau: Eine Blackbox zu Beginn illustriert anhand von Videoaufnahmen und Scans die Entstehung eines Bildes, ausgangs arbeitet die Künstlerin während der gesamten Ausstellungsdauer an einer Wandzeichnung.

Fast alle im Museum gezeigten Werke, sowohl jene von Bachtiar als auch die ihrer männlichen Vorgänger, stammen ursprünglich aus Privatsammlungen. Dort bestehe, so Ansperger, "nach wie vor ein reges Kaufinteresse". In öffentlichen Sammlungen ist die Art brut mittlerweile spärlicher vertreten – dort ist die Nachfrage seit den Achtziger-, Neunziger- und frühen Nullerjahren zurückgegangen. (Caroline Schluge, 27.10.2023)