Der Ton zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wird rauer. In der Metallindustrie finden Betriebsversammlungen statt, schon liegt ein Warnstreik in der Luft. Die Gewerkschafter wollen 11,6 Prozent mehr Lohn und fühlen sich vom bisherigen Angebot der Arbeitgeber, 2,5 Prozent mehr plus Einmalzahlungen, provoziert. "Mit den Einmalzahlungen können s’ scheißen gehen", ließ Metallerchef Reinhold Binder den Unternehmern ausrichten. Auch im Handel sieht es nach Konfrontation aus.

Dabei funktioniert das System der Lohnverhandlungen in Österreich seit Jahrzehnten gut. Gestritten wird über Löhne auf Basis der Entwicklung von Inflation und Produktivität, während der Staat sich nicht einmischt. Unternehmer sind wie die Gewerkschaft stark genug, ihre roten Linien zu verteidigen, weshalb es bei uns keinen staatlichen Mindestlohn wie in Deutschland braucht.

Für die Metaller wollen die Gewerkschafter 11,6 Prozent mehr Lohn und fühlen sich vom bisherigen Angebot der Arbeitgeber, 2,5 Prozent mehr plus Einmalzahlungen, provoziert.
Heribert Corn

Wohl aber gestaltet der Staat die Rahmenbedingungen – und da hat er den Sozialpartnern heuer eine schwierige Ausgangssituation hinterlassen. Die Regierung hat in der Inflationskrise zwar viel Geld ausgeschüttet, aber die Teuerung im Unterschied zu anderen Ländern nicht durch gezielte Eingriffe gedämpft. So durften die Mieten mit der Inflation steigen, bei Energiekosten kam der Eingriff spät. Die Folge ist, dass die Lohnverhandler nicht sechs oder sieben Prozent Teuerung abgelten müssen, sondern neun oder zehn. Dabei hat keine Seite einen Grund nachzugeben. Warum sollten Unternehmer auf Geld verzichten, zumal sich viele angesichts der schwächelnden Wirtschaft schwertun? Warum sollte die Gewerkschaft Lohnzurückhaltung üben, nachdem zuvor alle Gruppen schon mehr bekommen haben – die Unternehmer, die ihre Preise erhöhten, die Vermieter, die mehr verlangen, zumal die Arbeitslosigkeit niedrig ist?

Sozialer Frieden

Ist also ein unlösbarer Konflikt vorprogrammiert? Nicht unbedingt. Etwas unbemerkt hat die türkis-grüne Koalition nämlich eine Rutsche gelegt, die es den Lohnverhandlern erleichtern kann, einen Ausweg zu finden. Dabei geht es nicht um Einmalzahlungen, sondern um Unternehmenshilfen. 2024 gibt es neue Förderungen, alte wirken nach, und dazu kommen Steuersenkungen: So sinkt die Körperschaftsteuer erneut, von 24 auf 23 Prozent. Parallel dazu wirkt, dass Unternehmen weniger in den Familienlastenausgleichsfonds zahlen müssen. Dann gibt es 2024 Einmalzahlungen: 1,8 Milliarden Euro werden für Energiebeihilfen ausbezahlt. Noch immer fließen Corona-Hilfen, beachtliche 584 Millionen. Dazu kommen hunderte Millionen aus der Investitionsprämie.

173 Milliarden Euro an Gehältern zahlt der Privatsektor aus. Setzt man diese Beihilfen und Steuersenkungen in Relation dazu, decken sie grob etwa ein Drittel von dem ab, was die Gewerkschaften an höherem Lohn fordern. Dazu kommt, dass es auch abseits der Löhne Spielraum gibt, bei Arbeitszeit oder Urlaubstagen.

Nun lässt sich einwenden, dass ein Teil der Förderungen Einmalzahlungen sind, Lohnsteigerungen wirken dauerhaft. Allerdings gibt es seit 2020, seit der Pandemie, laufend neue Einmalförderungen. Es gibt auch keine moralische Pflicht, dass Betriebe einen Teil der Gelder weiterreichen – wohl aber wird es die eigene Kostenkalkulation in vielen Fällen erleichtern. Die staatlichen Subventionen, die auch an dieser Stelle kritisiert wurden, hätten dann einen Beitrag geleistet: zum Erhalt des sozialen Friedens. (András Szigetvari, 27.10.2023)