Es gehört zur Kultur von uns Abendländlern, dass wir uns an die Verstorbenen mit niedergelegten oder abgestellten Gegenständen erinnern. In der Kirche mit Opferlichtern oder am Grab zu Allerheiligen mit Kerzen, deren Flamme unsere Verbundenheit ausdrücken soll und die den Gläubigen, sagt Diakon Árpád Paksánszki von der Pfarre Fünfhaus, "wie ein verlängertes Gebet wirkt". Nur dass all diese Kerzen nicht annähernd die Lebensdauer des "ewigen Lichtes" haben, das den Verstorbenen leuchten soll, sodass sie nach ihrem Abbrennen schlicht Müll sind und entsorgt werden müssen. In Mengen, die längst zu einem ziemlich irdischen Problem geworden sind.

"Darum hat sich im Segment der Opferlichter und Grabkerzen in den letzten Jahren auch einiges getan", erklärt Peter Pankratz, der mit seiner Firma von Hall in Tirol aus den Wiener Stephansdom sowie zehn weitere Wiener Kirchen mit allen möglichen "normalen" Produkten (Ewiglichtkerzen, Altarkerzen, Dauerkerzen) beliefert, aber eben verstärkt auch mit seinem umweltschonenden Glasopferlichtsystem "St. Killians".

Grabkerzen und Gartenzwerge
Allein vor und nach Allerheiligen fallen 70 Tonnen Grablichtmüll an, die in eigenen "Kerzenbecher"-Kübeln entsorgt werden müssen.
© Christian Fischer

"Dieses besteht aus drei Glaselementen und einem aus dreimal raffiniertem Paraffin hergestellten Opferlicht", erklärt er, "dessen flüssiges Wachs in einen darunterstehenden Wasserbehälter läuft, um dort gesammelt, von uns abgeholt und in weiterer Folge zu ­Fackeln wiederverwertet zu werden." Dieses System sei rußfrei, was die bauliche und künstlerische Substanz des Kircheninneren schonen würde, und selbst das verschmutzte Glas werde abgeholt und für die Wiederverwendung gereinigt.

Was der Markt verlangt

"Die Kerze als Müll ist eine Problematik, die wir seit langem kennen", sagt Pankratz weiter. "Allein im Stephansdom werden pro Jahr über eine Million Opferlichter angezündet, und im gesamten Wien sind es Millionen." Mit dem Dom verbinde ihn seit über 30 Jahren eine partnerschaftliche Geschäftsbeziehung, "in der die Umweltfreundlichkeit in den letzten Jahren zum hervorstehenden Kriterium geworden ist". Toni Faber, der umtriebige Dompfarrer selbst, verlangte nach Lösungen – und ist seit 2019 Abnehmer des neuen Systems, mit dem linker Hand im Dom drei ­Tische bestückt sind. Außerdem gebe es dort noch Kerzen für orthodoxe Gläubige, die sie in eine Sandwanne stecken, und natürlich weiterhin in riesigen Mengen die klassischen Teelichter mit Aluminiumschale.

Pankratz selbst gießt keine Kerzen, weiß aber, was der Markt verlangt und wo es Änderungen braucht. Seine Ideen gibt er an ­Produzenten weiter, und er hält auf Messen Ausschau nach solchen, die geänderte Nachfragen bedienen können: "Bei Opfer- und Grablichtern lässt sich aufgrund der riesigen Mengen natürlich etwas machen, und im Unterschied zu vor zehn Jahren kann man die Kunden mittlerweile auch dazu bewegen, im Sinne des Umweltschutzes auf Alternativen umzusteigen."

Viele Grabkerzen
Grablichter werden zu Allerheiligen großteils von den Diskontern angeboten und auf Paletten in Kassennähe gestapelt.
© Christian Fischer

Das Grablicht, sagt er dann noch, spiele für sein Unternehmen allerdings keine Rolle, dieses Segment werde großteils von den Diskontern abgedeckt, wo sich vor Allerheiligen erfahrungsgemäß die Grablichter auf Paletten in Kassennähe stapeln: Kerzen mit Hüllen aus Glas, Polypropylen oder seltener aus "biologisch abbaubarem Biocellat", in Rot oder in Weiß, mit oder ohne Wind- und Regenschutz und mit einer Brenndauer von ­wenigen Stunden bis zu zwei Wochen. Jeder Kerzenhersteller verwendet – so er nicht längst auf Batterie umgestiegen ist – Brennstoffe wie Wachs, Talg, Stearin oder am häufigsten Paraffin, das einen Schmelzpunkt von circa 53 Grad hat. Für Grabkerzen, die im Freien stehen und spätestens ab Allerheiligen in der Kälte, wird aber auch Wachs aus tierischen oder pflanzlichen Ölen mit niedrigerem Schmelzpunkt verwendet. Das jeweilige Wachs verflüssigt sich beim Abbrennen der Kerze und wird vom Baumwolldocht nach oben in die Flamme gesaugt, wo es restlos verbrennen soll.

8000 Tonnen Friedhofsabfall

Übrig bleiben die Kerzenhüllen als schlichter Müll, um den sich dann die Gärtnereien der 46 Wiener Friedhöfe mit ihren über 550.000 betreuten Gräbern kümmern müssen. "Speziell um Allerheiligen herum haben wir natürlich mit einem erhöhten Aufkommen zu kämpfen", erklärt Pressesprecherin Julia Stering. Insgesamt müssen von ihnen jährlich über 8000 Tonnen an Friedhofsabfällen abtransportiert werden, allein 424 davon entfielen 2022 auf Grablichter. Während in durchschnittlich ruhigen Monaten wie August 20 Tonnen Grablichtmüll anfallen, sind es vor und nach Allerheiligen 70 Tonnen, die am ­besten in den dafür eigens bereitgestellten schwarzen "Kerzenbecher"-Kübeln landen sollen und später an die MA 48 abgeführt ­werden müssen, "ein Riesenaufwand", wie Stering sagt.

Grab mit Kranz und Kerze
550.000 betreute Gräber gibt es auf den 46 Wiener Friedhöfen wie dem Zentralfriedhof.
© Christian Fischer

Einige dieser Kerzen zünden die serviceorientierten Mitarbeiter der Friedhöfe freilich mittlerweile selbst an, seit sie es nämlich den Hinterbliebenen ermöglichen, die Gärtnereien der Friedhöfe mit dem Anzünden einer Kerze auf dem Grab eines Angehörigen zu beauftragen, "selbstverständlich nur noch Glaskorpuskerzen, die wiederbefüllbar sind". Von August bis November, sagt Stering, würden rund tausend solcher Aufträge in den Gärtnereien eingehen, 800 davon direkt vor Allerheiligen. Und auch über das "Digitale Grab", das mittlerweile ein kostenloser Bestandteil jeder Wiener Grabstelle ist, könne man per Mausklick das Anzünden einer Kerze veranlassen, soweit man "grabbenützungsberechtigte Person" ist. Diese kann dort auch die Laufzeit der Grabstelle verlängern oder Erinnerungstexte schreiben und Videos hochladen – gerne von brennenden Kerzen.

Pietätvolle Sammlung

Direkt am Zentralfriedhof wurde erst kürzlich auch die bereits vierte Waldfriedhofsgruppe ­eröffnet, eine Wiener Naturgrab genannte Fläche, auf der nun auch Bestattungen "mit ausschließlich Biosärgen" möglich sind. "Insgesamt haben wir mittlerweile sieben Friedhöfe mit Naturgräbern, auf denen eigentlich gar nichts niedergelegt und an denen gar keine Kerzen angezündet werden sollen", erklärt Frau Stering. Aber natürlich tun sich auch die Friedhöfe gerade nicht leicht mit Vorschriften und Geboten, also müsse selbst dort "möglichst pietätvoll", aber doch regelmäßig der Kerzenmüll eingesammelt und entsorgt werden. Bis wieder irgendwo die nächste romantisierend als "Kerzenschein" bezeichnete Flamme entzündet wird, in die wir so gerne schauen, wenn wir an unsere Verstorbenen denken. (Manfred Rebhandl, 1.11.2023)